Erfolgsdruck stinkt zum Himmel
HALLEIN / SALZBURG / “YOU FAIL!“
08/11/10 Kann es etwas Schlimmeres geben, als voll daneben zu hauen? Vielleicht wäre es eine Option, in Ehren zu scheitern? – Frage, die von Künstlerinnen und Künstlern im Kunstraum Galerie Pro Arte (Hallein) und in der Galerie Periscope (Salzburg) zum Thema gemacht wurden.
Von Ulrike Guggenberger
In unserer erfolgsorientierten westlichen Gesellschaft vermeiden wir es tunlichst zu scheitern. Nicht „in“ zu sein, den Anschluss zu verpassen - diese unausgesprochene Drohung bestimmt gleich einem dunklen Schatten unser Handeln. Mit dem Hintergrund dieser mehr oder weniger bedrängenden Ängste befassen sich die Arbeiten zweier Ausstellungen: ausjuriert, durchgefallen, Thema verfehlt.
Kunstraum pro arte in Hallein und die Galerie Persicope in der Salzburger Sterneckstraße forderten per Ausschreibung Künstlerinnen und Künstler auf, sich mit dem Phänomen Erfolg und Scheitern auseinandersetzen. Nun werden fünfzehn Arbeiten in Hallein gezeigt und fünf weitere in Salzburg. Vorneweg gesagt: Keine/keiner der Künstlerinnen und Künstler ist gescheitert am Problem des Scheiterns.
Die Auseinandersetzung mit „You fail!“ findet über Papierarbeiten, über mediale Anwendungen, über „trail and error“-Anmerkungen in der Schöpfung, wie in vom Menschen produzierten Produkten statt. Gut nachvollziehbar, großzügig präsentieren sich die angewandten Techniken und Materialien in den Ausstellungsräumen beider Orte.
Zwei Arbeiten übersetzen das Thema „You fail“ in natura: Rolf Giegold, indem er die ausjurierten schriftlichen Einreichungen der Künstlerinnen/Künstler im Persicope an die Wand pinnt. Eine weitere Arbeit im Kunstraum pro arte sträubt sich insistierend gegen das klaglose Funktionieren.
„Fail globally and stink locally“ war Titel einer Performance von Peter Haselmayer zur Vernissage in der Galerie Periscope. Mit dem Aufbruch in die Moderne wuchs der unbedingte Wunsch in der Künstlerschaft, mit ihren Arbeiten am echten Leben anzuknüpfen. Die angewandten Mittel wurden immer freier, näher an der Realität – bis zum Einsatz des eigenen Körpers. Mit der Körper-Performance von Peter Haselmayer begriff der Besucher vor Ort spontan über Auge, Ohr und Geruchswahrnehmung eine unangenehme, immer wieder hinausgeschobene und verdrängte Kernfrage der Gesellschaft. Beginnend mit der liturgischen Litaneien nachempfunden Formulierungen „ ... und bewahre uns vor dem Misserfolg des Scheiterns“ setze Haselmayer hautnah präsent den eigenen Körper ein. Führte er vor, was (für ihn, für uns?) Erfolgsgesellschaft und mörderische Überproduktion heißt: ... „ es stinkt mich (uns) an“. Was der Künstler coram Publico produzierte, war schließlich körpereigene Scheiße in sinnlich zynischer Anspielung auf Erfolgsdruck. So mutig wie zumutend!
Peter Haselmayer spinnt den roten Faden der Aktionskünstler der 60er Jahre weiter, wie sie am provokativsten Rudolf Schwarzkogler und Günter Brus betrieben. Auch damals eine Zeit, in der Angepasstheit und psychische Verdrängungen Themen waren.