Vom Schrecken des Verhörs und des Verhörten
KLEINES THEATER / EICHMANN
03/02/16 Ein Tisch. Ein Stuhl. Dahinter, durch eine schwarze Leinwand abgetrennt, der Chor aus sechs Personen. Leises Violinspiel erklingt. Ruhige Sachlichkeit statt sensationshungriger Zurschaustellung: Dass gerade auf diese Weise große Emotion erzeugt werden kann, zeigt Rainer Lewandowski mit „Eichmann“. Das viel gelobte Stück hatte am Feitag (29.1.) im Kleinen Theater Premiere und einmalige Aufführung.
Von Verena Resch
Aus dem Publikumsraum kommt die Hauptperson des Abends, der Schauspieler Franz Froschauer, der zu Beginn die Rolle des neutralen Erzählers einnimmt und die Zuschauer über die Fakten aufklärt: Der ehemalige SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann wurde 1960 vom israelischen Polizeihauptmann Avner Werner Less insgesamt 275 Stunden lang verhört. Das Protokoll zu diesem Verhör umfasst 3650 Seiten, die das Material des Theaterstücks bilden.
Mit der charakteristischen Hornbrille und einem Sakko schlüpft der Schauspieler dann in die Rolle Eichmanns. Das Publikum, in der Rolle des Verhörers, erfährt im Folgenden, was und wie Eichmann aussagt. Er beginnt mit seiner Herkunft und seiner beruflichen Laufbahn. Schließlich erzählt er, wie er, der Außenseiter, in der NSDAP eine Möglichkeit geboten bekam, sich zu beweisen. Untermalt werden seine Aussagen durch den Chor mit kurzen Gesängen und historischen Daten aus der Zeit des Nationalsozialismus.
Die Eindringlichkeit und Emotionalität des Dargestellten steigt mit den teils vehementen, teils flehenden Versuchen Eichmanns, sich gegen die Vorwürfe zu wehren: „Ich wurde zum Gehorchen erzogen, jederzeit und überall. Ich kann aus meiner Haut nicht heraus.“ Widerlegt werden seine Aussagen durch den Chor, der nun die Rolle der deportierten und getöteten Juden einnimmt. Die Darsteller treten hinter dem Vorhang hervor, wodurch ihr Schauspiel nicht nur räumlich, sondern auch emotional noch näher an das Publikum herangetragen wird. Zugleich umkreisen sie Eichmann, der sich immer weniger zu wehren vermag.
Am Ende des Stückes schlüpft Froschauer wieder in die Rolle des Erzählers und berichtet von den Ereignissen nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reichs bis hin zur Hinrichtung Eichmanns. Schließlich bleiben nur die leisen Klänge der Violine, die langsam verstummt.
Die Ergriffenheit des Publikums zeigt sich in der langen Stille, nachdem die Schauspieler die Bühne verlassen haben. Schade nur, dass zahlreiche Plätze leer geblieben waren, denn das großartige Ensemble um Franz Froschauer, der zu Recht für seine darstellerische Leistung den Anerkennungspreis des Landes Oberösterreich erhalten hat, hätte sich ein ausverkauftes Theater – und weitere Aufführungen - verdient!