Zwei Psycho-Leichen im Keller
KLEINES THEATER / IMAGO
12/11/14 Man könnte den Mann einen Psychopathen nennen: Mit dem Fotoapparat verfolgt er seine Frau, die es so selten nicht mit anderen Männern treibt. In seinem Arbeitsraum im Keller hängen die Bilder wie Trophäen an der Wand.
Von Reinhard Kriechbaum
„Imago“ heißt das Stück von dem deutschen Autor Ulrich Hub. Der Begriff suggeriert, dass „Bild“ keineswegs ein getreues „Abbild“ meinen muss, sondern die eigene Vorstellung, das Hinein-Projizieren eine große Rolle spielen. Untertitel: „Ein platonisches Abendmahl, oder wo Wünsche wirklich werden“. Tief durchatmen, ganz so schlimm ist’s dann nicht.
Nach außen hin scheint jedenfalls alles in bester Ordnung: „Er“ ist Hausmann, schreibt (im Keller!) nicht besonders ambitioniert an einem Roman und sorgt im Übrigen liebend für das kleine Kind. Seiner berufstätigen, die Familie nährenden Frau hält er den Rücken frei. Regelmäßig kommt eine Freundin auf Besuch, und die interessiert sich keineswegs nur für die Polaroids an der Wand. Wir erfahren nicht wirklich etwas über sie. Aber dass auch ihr Sexualleben mehr als verkorkst ist, wird sehr schnell deutlich.
Da finden also zwei Psycho-Leichen im Keller sich und einander. „Sie“ betreibt ausgiebig Anamnese, „Er“ leidet ausgiebig, ohne sich ernsthaft für sein Gegenüber zu interessieren. Letztlich doch erotische Anziehung, reichlich Alkohol, ein Straucheln über die je eigenen Lebenslügen – im Lauf von siebzig Minuten geht’s rund, spitzt sich gar bedrohlich zu und renkt sich dann doch wieder irgendwie versöhnlich ein. Ulrich Seidl fände in diesem „Keller“ jedenfalls filmtaugliches Material.
Arthur Zgubic hat einen netten Hobbykeller entworfen, halb Fotoatelier, halb Dichterstübchen, nur als Liebesnest nicht so recht tauglich. Genau so soll’s sein. Auch so, wie Michael Kolnberger als Regisseur mit dem eigenartigen Stück umgeht. Ein Schnipser mit dem Finger, und schon machen die Darsteller selbst Schluss mit der jeweiligen Szene.
Elisabeth Nelhiebel und Jurij Diez spielen in diesem Stück, in dem Obsession und Burleske eigenartige Paarungen eingehen. Das ist schauspielerisch ergiebig, und vielleicht ist es gerade die Gratwanderung zum Lächerlichen, wie sie diesem Text eignet, die lohnende Herausforderung für Darsteller und Publikum.
Dieses hat ziemlich ausgelassen am Premierenabend (Dienstag, 11.11.). Gerade dreieinhalb besetzte Stuhlreihen – man löckt als Theatermensch wohl nicht ungestraft gegen den Nimbus des Kleinen Theaters als Boulevard-Schuppen oder Komödienstadel. Wer will an diesem Ort schon nach Feierabend Problemstücke inhalieren?