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Ach, mein liebes Geld, mein einziger Freund

SCHAUSPIELHAUS / DER GEIZIGE

13/11/14 Liebe, Geld und alle damit verbundenen Scherereien und Konsequenzen: Das sind die Fäden, aus denen dieses Theaterstück gestrickt ist. Dazu kommt der Blick in gesellschaftliche Abgründe. Dass Molières sozialkritische Komödie „Der Geizige“ auch nach dreihundert Jahren nichts von ihrer Aktualität verloren hat, zeigt Christoph Batscheiders Regie im Schauspielhaus.

Von Claudia Maria Kraml

Mit dünner, leiser Stimme singt ein Dienstmädchen beim Staubwischen gedankenverloren vor sich hin. Ihre Umgebung besteht aus einer recht einfachen hölzernen Wand mit vielen Türen – wenn man von einem weit von der Decke herabhängenden Luster absieht. Ganz in Gold gehalten, spiegelt er Pracht und Prunk des höfischen Barocks wider. Sobald ein Mitglied der Familie erscheint, verstummt die junge Frau natürlich sofort und frönt nur im Verborgenen ihrer ausbaufähigen Sangeskunst. Und dennoch behält sie als Einzige den Überblick über sämtliche Intrigen, die im Hause des reichen Harpagon im Gange sind.

Ein Vater, der beim Eingriff ins Liebesleben seiner Kinder keine Skrupel kennt, umgeben von Mädchen in Reifröcken... An der Oberfläche wirkt die Inszenierung von Christoph Batscheider – auf der Bühne von Vincent Mesnaritsch in den Kostümen von Elke Gattinger - zunächst konservativ, mit Figuren, die angesichts ihrer Kleidung und Denkweise direkt dem 17. Jahrhundert entstammen zu scheinen. Auch ihre Sprache lässt, trotz einiger Anachronismen, auf große Nähe zum Original schließen. (Gespielt wird die Übersetzung von Wolf Heinrich Graf von Baudissin).

Blickt man jedoch länger in die ausnahmslos kalkweiß gepuderten Gesichter, so beginnt diese Fassade zu bröckeln. Ein überraschend moderner Eindruck von auch heute noch wohlbekannten Verhaltensmustern macht sich breit.

„Mein liebes Geld, mein einziger Freund!“ Harpagon hat allen Grund, um seine im Garten vergrabene Schatulle besorgt zu sein – beinhaltet sie doch jene Materie, die ihm in seinem Leben am liebsten geworden ist. Von menschlichen Freunden oder gar dem Rückhalt einer Familie kann keine Rede sein, wohl auch, weil er seinen Kindern unerbittlich die eigenen Zukunftsvorstellungen aufzuzwingen versucht. Lässt man einmal den Fokus auf deren Verheiratung außer Acht, so finden sich interessante Parallelen zum heutigen Typus des Machtmenschen.

Dabei tritt eine Technik in Erscheinung, die man aus anderen Zusammenhängen kennt: Der Einsatz von Verfremdungseffekten kommt unvermutet, doch fügt sich nahtlos in das dichte Geflecht satirischer Elemente ein. Dass sich die einzelnen Figuren auch innerhalb des Theaters nicht immer authentisch verhalten, wird bereits durch ihre nur in der Vorderansicht vollständigen Masken angedeutet. Eine weitere quasi verfremdende Dimension kommt nun hinzu, wenn etwa das Dienstmädchen angesichts des nahenden „rührigen Endes“ schon einmal vorsorglich im Publikum Taschentücher verteilt. Man leugnet nicht, dass das Schauspiel genau ein solches ist, was zu einer umso komischeren, selbstironischen Darstellung beiträgt. Gegen Ende hin ist gar so etwas wie Sarkasmus gegenüber des unvermeidlichen Happy-Ends herauszuspüren, nach dem die Gattungsbezeichnung „Lustspiel“ natürlich verlangt.

Die Inszenierung, die am Mittwoch (12.11.) im Schauspielhaus Premiere feierte, hält somit amüsante Überraschungen bereit. Dem Untertitel „Komödie“ macht sie durch zahlreiche schräge Einlagen alle Ehre. Nichtsdestotrotz degeneriert Regisseur Christoph Batscheider das Ganze nicht zu einer reinen Persiflage „höfischer“ Etikette, vielmehr wird Humor zum Mittel der kritischen Auseinandersetzung mit menschlicher Geldgier. Mögen gesellschaftliche Strukturen sich seit „damals“ gewandelt, hat sich an grundsätzlichen menschlichen Charakterzügen und den daraus resultierenden Problemen gar nicht so viel geändert. So beweist ein barockes Stück selbst im 21. Jahrhundert noch seine Aktualität, ohne dass es übertriebene Modernisierungen nötig hätte.

Die schauspielerischen Leistungen sind überzeugend: Als Harpagon brillert Marcus Marotte. Seine am Geiz leidenden Kinder Elise und Cléanthe, die nur knapp der Zwangsverheiratung entgehen, sind Yael Hahn und Simon Ahlborn. Martin Brunnenmann gibt den Valère, den seinen schwierigen Herrn geschickt manipulierenden Diener: Er hat allen Grund für Diplomatie, er will die Tochter des Geizigen heiraten. Marianne schließlich, um die Harpagon und sein Sohn Cléanthe in einen absurden Nebenbuhlerstreit treten, gibt Michaela Schmid.

Ebenso typengerecht besetzt die kleineren Rollen: Ute Hamm als Kupplerin Frosine, Olaf Salzer als bizarrer Wucherer Simon und reicher Anselme, Anthony Connor als Kutscher/Koch Jacques, Sebastian Martin Rehm als Cléanthes Diener La Flèche und Magdalena Oettl als anspielungsreiche Chansons vor sich hin singende La Merluche.

Aufführungen bis 10. Jänner 2015 - www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: SSH/Marco Riebler
Dieser Text ist entstanden im Rahmen der Lehrveranstaltung „Palimpsest und Festplatte“ am Fachbereich Germanistik der Universität Salzburg.
 
 

 

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