Adams Vertreibung oder Hektik in den Hecken
THEATER ECCE / DER ZERBROCHENE KRUG
20/08/14 „Narren hasten, Kluge warten, Weise gehen in den Garten“, sagt der indische Philosoph Tagore. Eine so große Anzahl an Freilufttheater-Freunden folgte dem weisen Rat, dass das Heckentheater im Mirabellgarten beinahe aus allen Nähten platzte. Heinrich von Kleists „Der zerbrochene Krug“ erfüllte die dämmrig verwunschene Naturkulisse.
Von Stefan Reitbauer
Von osteuropäisch anmutenden Klängen der diatonischen Harmonika empfangen, fällt der erste Blick auf das von Alois Ellmauer geschickt in das Heckentheater eingepasste Bühnenbild. Im linken Bildausschnitt sitzt der schwer gezeichnete Dorfrichter Adam am Schreibtisch und raucht. Die mitgenommene Bühnenausstattung - zerschlagene Fensterscheiben und schäbiges Inventar, Wand-Elemente im Farbton von der umschließenden Natur scheinbar assimiliert – vermittelt einen ersten Eindruck vom zerrütteten Innenleben des nicht einmal mehr scheinbar honorigen Mannes.
Das Ensemble des Theater ecce wird verstärkt durch Mitglieder des Nationaltheaters Radu Stanca aus Sibiu in Rumänien, die LAUBE Theaterwerkstatt und die Blauen Hunde von der Theatergruppe der Lebenshilfe Salzburg. Sie alle vereinnahmen das gesamte Areal des Heckentheaters, also auch den Zuschauerraum, vor und während des Stücks: Eine öffentliche Gerichtsverhandlung im labyrinthischen Grün des Mirabellgartens nimmt ihren Anfang.
Herausragend an diesem Abend: Dorfrichter Adam, gespielt und wahrlich gelebt von Daniel Bucher. Er gibt eine Figur, die - trotz ihrer Korruptheit, ihrer unverhohlenen Lüsternheit und des offen zur Schau gestellten Machtmissbrauchs - nicht unsympathisch ist. Die Verzweiflung, mit der Richter Adam gegen sich selbst verhandelt, lässt beinahe Mitleid aufkeimen.
Rund um den scheinbar Bedauerlichen geht es hektisch zu. Eine in rumänischer Sprache (für einen Gerichtsdolmetscher ist gesorgt) wild schimpfende Frau Marthe Rull gestikuliert in Rage mit dem beschädigten Krug herum, spricht in unfassbarem Tempo und mit grenzenlosem Temperament. Eine Übersetzung wäre hier wohl gar nicht von Nöten gewesen. Ihre Tochter Eve, Anna Kuzmenko gibt überzeugend das eingeschüchterte Mädchen vom Land, hält sich anfangs noch ratlos im Hintergrund. Jurij Diez spielt einen witzigen, eindrucksvollen Rupprecht.
Das Publikum kommt nicht zur Ruhe. Richter Adams Kopf erscheint zwischen den Hecken und kommentiert. Die beiden Gerichtsdiener haben damit zu tun, Veit Tümpel und Rupprecht auf ihren Plätzen zu halten. Die sprachliche Barriere (es wird arabisch gesprochen) erleichtert die Angelegenheit nicht. Jurek Milewski rauscht als hübsche Magd und Raumpflegerin durch die Kulisse und erscheint später als noch hübschere Frau Brigitte. Eleganter hat noch kein Mann in Frauenkleidern Cancan getanzt – welch anmutige Bewegung, welch grazile Beine! Die Zuschauer haben ihren Liebling gefunden. Und nebst dem ganzen Wirrwarr gibt Gerichtsrat Walter, höchst seriös und doch augenzwinkernd von Gerard Es gespielt, seine trockenen Kommentare ab.
Als man schließlich auf das Erscheinen der Frau Brigitte wartet, verlagert sich die Szenerie in den Mittelgang des Zuschauerraums. Getränke und Knabbereien werden verteilt, Musik erklingt. Als sich die Erwartete auf der Bühne einfindet, erfährt das Treiben ein rasantes Ende. Der Dorfrichter Adam wird von Brigtte und vom Schreiber Licht (korrekt und doch hinterlistig im makellosen weißen Anzug) entlarvt und flüchtet ins Gesträuch. Brigitte verführt den Veit Tümpel syrischer Abstammung zu entfesselten amourösen Aktivitäten. Es wird getanzt, alle sind glücklich.
Mitreißende Schauspieler, wunderbar eingepasste, virtuos kommentierende Akkordeonklänge von Johannes Steiner und kreative Regiearbeit von Reinhold Tritscher. Ein ausgesprochen vergnüglicher Theaterabend geht zu Ende…