Gruppenzwang bis zum Exzess
KAMMERSPIELE / NICHTS. WAS IM LEBEN WICHTIG IST
27/05/14 „Ja, es ist schon erstaunlich, dass ein Buch heutzutage in Westeuropa derart bekämpft werden kann. Nicht wegen brutaler oder sexistischer oder verhetzender Inhalte, sondern nur wegen der Fragen, die es aufwirft.“ So Janne Teller über ihr Buch „Nichts. Was im Leben wichtig ist.“ In den Kammerspielen hatte am Sonntag (25.5.) die Bühnefassung Premiere.
Von Ulrike Guggenberger
Ja, es sind genau diese, die menschliche Existenz zutiefst gefährdenden Fragen, die im RomanJanne Tellers mit ätzender Zähigkeit gestellt werden und auf die sich die Aufführung in den Kammerspielen bezieht. Es ist eine Produktion des TheaterJugendClubs in der Sparte Junges Land.
Ort der Handlung ist der geheime Treffpunkt einer Siebten Schulklasse in einer unbedeutenden dänischen Stadt, Thema ist die zunehmende Destruktion, die sich aus diesen Zusammenkünften entwickelt.
Sie heißen Antonia, Agnes, Johanna, Marie-Ursula, Oleanna, Elise, Sofie und Kai: Aus diesen jungen Leuten sollte nach dem Schulabschluss „jemand“ werden. Nicht irgendjemand sondern jemand besonderer. Jemand den man in der Welt der Erwachsenen kennt, jemand, der Bedeutung hat. Das wurde den jungen Leuten so nicht laut mitgeteilt, lag aber für die Schülerinnen und Schüler als Auftrag in der Luft. Bis zu dem Tag, an dem Antonia eines Tages die folgenschweren Sätze spricht: „Nichts bedeutet irgend etwas, das weiß ich schon lange. Deshalb lohnt es sich nicht, irgendetwas zu tun. Das habe ich gerade herausgefunden.“ Ab diesem Moment bleibt in der Siebten Klasse kein Stein mehr auf dem anderen. Nun wissen sie alle: Antonia hat etwas begriffen und ausgesprochen, was sie selbst bisher nicht einzugestehen trauten. Nun fühlen sie sich innerlich getrieben, gegen den Nihilismus Antonias anzukämpfen.
Die Schülerinnen und Schüler verschwören sich gegen Antonia und wollten ihr beweisen, dass es Dinge gibt, die sehr wohl Bedeutung haben: Sachen aus der Kindheit. Das erste selbst gemachte Kleid. Ein Lieblingsbuch. Ein alter Puppenkopf... Aber Antonia lässt nichts, aber auch gar nichts, als existentiell bedeutend gelten. Nicht einmal den toten Körper von Elises kleinem Bruder, der auf dem Friedhof liegt. Kein noch so tief verehrtes religiöses Symbol, keine noch so große Begabung… Jedes Gruppenmitglied muss das ihm persönlich am meisten bedeutendes Gut auf dem „Berg der Bedeutung“ opfern.
Beängstigend nehmen Grausamkeiten und unerträglicher Gruppendruck unter der allgegenwärtig totalen Verachtung Antonias zu. Die nahende Katastrophe ist unausweichlich.
„Ihre eigenen Zweifel, ob irgendetwas Bedeutung hat, fanatisieren sie, ihre Furcht, dass Antonia recht haben könnte“, sagt Dazu die Autorin der Romans Janne Teller.
Die jungen Leute auf der Bühne der Kammerspiele agieren so authentisch als wären sie selbst es, die sich dem Gruppendruck unterwerfen müssen. Kleidung und selbstbewusstes intelligentes Auftreten spiegelt die zeitgenössische westliche Jugendkultur. Höhepunkte hilfloser Verzweiflung werden ausgetobt und ausgeschrieen und enden letztlich in der Vernichtung. Ein TheaterJugendClub-Projekt, das Erwachsenen wie Jugendlichen insistierende Fragen stellt.
Es spielten in insgesamt drei Aufführungen in den Kammerspielen die Schülerinnen Laura Roberta Kuhr, Angelika Gutwirth, Jessica Brantsch, Lisa Katholnig, Verena Gautsch, Mia Wiederstein, Flora Riezinger und Nikolaus Stockinger.Die Bühnenfassung ist von Laura Roberta Kuhr und Petra Siegel, Theaterpädagogin am Salzburger Landestheater. Für die Inszenierung, Ausstattung und Choreographie zeichneten Laura Roberta und Petra Siegel sowie Jessica Brantsch. Andauernder begeistert zustimmender Applaus im Publikum!