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Lachen über die Leichen im Keller

SCHAUSPIELHAUS / ARSEN UND SPITZENHÄUBCHEN

18/12/23 Joseph Kesselrings skurrile Kriminalkomödie über eine verrückte Familie mit schrägem Happy End ist seit 1941 ein Theater- und Filmklassiker. Was der deutschstämmige New Yorker da unter dem originalen Titel Arsenic and Old Lace zusammengebraut hat, erweist sich auch in der Neuproduktion am Schauspielhaus Salzburg als Garant für einen sicheren Erfolg.

Von Gottfried Franz Kasparek

Dazu genügt es, das recht lange Stück – trotz etlicher Striche dauert es mit Pause drei Stunden – einfach so zu spielen, wie es von Mr. Kesselring erdacht worden ist. Man kann es aus der Zeit um 1940 und einem altmodischen, spießbürgerlichen Haus in Brooklyn nicht herausnehmen, denn es spiegelt diese. „Wissen Sie, ich glaube langsam, dass dieser Herr Hitler kein Christ ist“, sagt eine der ebenso liebenswerten wie mörderischen alten Damen. Die Mordlust des Herrn Hitler wohnt freilich auch in Menschen, die zum Tee bitten und feine Kekse servieren. Die Komödie funktioniert nach altem französischen Muster, steckt aber voll schwarzem angelsächsischen Humor und lebt von ihren zielsicher abgefeuerten Pointen und ihren grotesken und dennoch oft ganz normal scheinenden Situationen. Es darf über das Gräßliche gelacht und nachher über die Existenz des Bösen in mehr oder weniger guten Seelen nachgedacht werden.

Dass die giftigen Tanten und ihre wahnsinnigen Neffen am Ende offenbar beglückt in Anstalten für geisteskranke Leute gehen, während ein pfiffiger Spielmacher namens Dr. Hermann Einstein listig entkommt und der einzige „Normalo“ in der Familie, Mortimer Brewster, sich als untergeschobenes Kind entpuppt und bald fröhliche Hochzeit mit seiner geliebten Pastorstochter machen wird, ist eigentlich ein Operettencoup – und wie seit eh und je freut sich darüber das Publikum. Wir wollen nicht die sehr soubrettenhafte Zeichnung des Mädchens Elaine anzweifeln, denn das Stück spielt ja in der Hochblüte des Fräuleintums beiderseits des Atlantiks. Und Theresia Amstler verkörpert diese durchaus sehr selbstbewusste Figur mit herzerfrischender Natürlichkeit.

In der alle Effekte klug ausschöpfenden, von scharfer Personenzeichnung bestimmte, atmosphärisch grau-weißen Inszenierung von Jérȏme Junod, für die Fabian Lüdicke das exakt passende Wohnzimmer und die unsereinem noch von den Großeltern vertrauten Kostüme, David Lipp eine unaufdringliche, aber spannungsgeladene und dramaturgisch perfekte Bühnenmusik sowie Marcel Busá die entsprechende Beleuchtung geschaffen haben, kann man sich inmitten des Horrors so richtig wohlfühlen. Es tut gut, inmitten der derzeit modischen postdramatischen Bühnenereignisse wieder einmal handwerklich souverän gemachte, den Text nicht verleugnende, sondern genießende Komödie zu erleben.

Susanne Wende als eher handfeste Abby und Ulrike Arp als eher damenhaft verschrobene Martha Brewster dürfen also ihre Bombenrollen als Giftmischerinnen aus Nächstenliebe genießen und sie tun es so selbstverständlich in ihrem biederen Heim, dass man mit Gänsehaut lachen darf. Florian Stohr bläst als Teddy, der sich für Präsident Roosevelt hält, grandios falsch die Trompete, reitet zur Attacke im Stiegenhaus und vergräbt Leichen im Panamakanal im Keller. Absurdität und Outrage ergänzen einander.

Dagegen wirkt Enrico Riethmüller als unter all dem Irrwitz leidender Mortimer in der Tat wie eine Lichtgestalt unter Narren, ist aber als frustrierter Theaterkritiker auch ein hervorragender Charakterdarsteller. Marvin Rehbock, als komplett durchgedrehter Neffe Jonathan ein bubenhaft naiv-gefährliches Mannsbild mit Boris Karlow-Maske, hat auch schon sozusagen zwölf Leichen im Keller. Sein zuletzt entweichender, mit ungarischem Akzent erfreuender Kumpan Dr. Einstein, vielleicht der gefährlichste, weil der gescheiteste Irre, ist bei Felix Krasser bestens aufgehoben, wie auch der so ganz andere, jungenhafte Polizist Brophy. Gleich drei Typen, den ach so edlen Pastor, vor allem den kurios sich als Bühnendichter betätigenden Polizei-Wachtmeister O'Hara und im Finale noch den stoischen Anstaltsleiter zeichnet mit echter „Vis comica“ Marcus Marotte. Ebenso zeigt Antony Connor als einer der einsamen Kandidaten für den Untermieter im Kellerfriedhof und als fast wie ein Deus es machina die Lösung der Knoten herbeiführender lokaler Polizeichef sein präzises Können.

Dieses Stück ist ja auch eine große Liebeserklärung an das traditionelle Theater, allen Kritiken und Moden zum Trotz. Mit besten Empfehlungen für eine niveauvolle Unterhaltung im Fasching!

Aufführungen bis 9. Februar 2024 – www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus Salzburg / Jan Friese

 

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