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Anastasius Jedermann

HINTERGRUND / BENEDIKTINERTHEATER

20/08/20 Am Samstag 22. August 1920 ging auf dem Domplatz zum ersten Mal der Jedermann über die Bühne. Hundert Jahre. Ein respektables Alter. Aber nichts gegen den Salzburger Jedermann von 1632. Damals hatten die Benediktiner an der Universität das Sagen. Theaterspielen gehörte dazu, so wie lernen und beten. Ihre Stücke haben die Benediktinerpatres gern selber geschrieben. Eines dieser alten Stücke ist eine Spielart des Jedermann.

Von Heidemarie Klabacher

„Der Verfasser war der Benediktinerpater Thomas Weiss, den Jedermann spielte der Universitätspedell Wolfgang Braumiller.“ Christoph Brandhuber, Leiter des Universitätsarchivs an der Universitätsbibliothek, über die Rezeption des Jedermann-Stoffes auf der Bühne der Benediktineruniversität 1632: Gespielt wurde vor Erzbischof Paris Lodron und dessen illustren Gästen, „jenen Wittelsbachern, die damals vor den Schweden nach Salzburg geflüchtet waren und das in der Franziskanerkirche aufgestellte Gnadenbild von Altötting mit sich führten.“ Erbaut hat man sich an einer marien-frommen Variante des Jedermann-Themas: Der reiche Lebemann wird durch die Fürsprache Mariens gerettet, das Stück endet mit einem Chor zu Ehren der Jungfrau von Altötting, umreißt der Universitätsarchivar Christoph Brandhuber den Plot.

Bereits 1632 wurde in also in Salzburg ein Theaterstück aufgeführt, in dem zur geistlichen Erbauung ein Jedermann-Vorfahre vor Reichen und Schönen auftrat. Ein reizvolles Spiel des alten Benediktiners mit dem schon damals alten Stoff. Genannt hat der Benediktiner-Autor seinen reichen Prasser jedenfalls „ Anastasius, den Auferstandenen, weil er gleichsam der Hölle entrann“.

Die Story ist hinlänglich bekannt, allerdings retten nicht seine kläglichen Guten Werke den barocken Sünder, sondern eben die Gottesmutter persönlich: „Anastasius lebte sorglos und verschwenderisch in den Tag hinein. Wohlmeinenden Ratschlägen trotzte er, selbst die Mahnung des Todes beherzigte er nicht. Nur die Verehrung der Muttergottes, sein einziger guter Charakterzug, rettete ihn: Ihre Fürbitte entriss ihn am Ende den Fängen des Teufels.“

Anschaulich charakterisiert Christoph Brandhuber, dem – in der heutigen Gegenwart – mehrere der aufregendsten und erhellendsten Salzburg-Bücher zu verdanken sind, auch den Autor des Theaterstücks, den „wortgewaltigen Benediktinerpater Thomas Weiss, der in Salzburg Mathematik und Ethik lehrte, und zahlreiche Theaterstücke verfasste“. Nach Salzburg gekommen ist Weiss übrigens, weil sein Bruder hier zweiter Rektor war. (Noch heute kommen Rektoren aus Deutschland, Anm.) Aus Thomas Weiss' Feder ist etwa die „Beschreibung der Einweihung des neuerbauten Salzburger Domes“. Nach seiner Salzburger Lehrtätigkeit sei Pater Thomas zunächst in sein Heimatkloster, die Abtei Neresheim im Ostalbkreis, zurückgekehrt, vom Dreißigjährigen Krieg aber alsbald auf die Flucht und ins Exil gezwungen worden: „Das Wiener Schottenkloster nahm ihn auf. Er starb 1651 auf einer Wallfahrt zum Gnadenort Mariazell, dessen Wunder er in einem Mirakelbuch beschrieb.“ Eine Bio wie aus einem Roman.

Nur wenig ist über die Salzburger Schauspieler des Barockzeitalters bekannt. „Es ist ein Glücksfall“, betont Christoph Brandhuber, „dass der Name des Hauptdarstellers im Jedermann-Drama von 1632 überliefert ist“. Wolfgang Braumiller habe schon als Student durch sein Schauspieltalent auf sich aufmerksam gemacht. Um ihn in Salzburg zu halten, sei er zum Pedell der Universität bestellt worden. Bis zu seinem Tod trat Braumiller in fast jedem Theaterstück des Universitätstheaters auf, pro Stück schlüpfte er manchmal in bis zu sieben Rollen.

„Der gefeierte Bühnenstar des Salzburger Barock trat vor den höchsten Fürsten Europas auf und wurde mit Gnadengeldern belohnt.“ Klingt durchaus nach gefeiertem Künstler der Salzburger Gegenwart. Sogar „Fürsten“ kommen in normaleren Festspielsommern noch gelegentlich an die Salzach. Auf höhere Gnaden angewiesen sind, wenn schon nicht die Festspielstars, doch nicht wenige Künstlerinnen und Künstler ebenfalls bis heute.

Theaterstar Braumiller muss ein kluger, wirtschaftlich denkender und interessanter Mann gewesen sein. Er heiratete nacheinander zwei reiche, Jahrzehnte ältere Witwen, die ihm ihr Vermögen vermachten, berichtet Universitätsarchivar Christoph Brandhuber: „So konnte der Pedell einen Hausboden in der Stadt erwerben, den er mit seiner dritten, deutlich jüngeren Ehefrau bewohnte. Noch im Alter von 82 Jahren stand er auf der Bühne, wenige Monate später, im März 1683, starb er und wurde in einem Erdgrab im Sacellum bestattet.“

Nur logisch, dass so ein frommer Theaterstoff, wie der Jedermann auch auf den Bühnen des benediktinischen Schul- und Universitätstheaters Furore machen musste. Auch in Salzburg. Theater gespielt wurde zunächst im Stift St. Peter, bis die Uni unter Marcus Sitticus ein eigenes neues Gebäude bekam, in dem bis heute Universitätsbibliothek bzw. Theologische Fakultät untergebracht sind. Der Salzburger Jedermann, pfiffiger Originaltitel Anastasius fortunae pila, terrae piaculum, orci monstrum ist eine Mischung aus mehreren Vorlagen. Gespielt wurde das Stück unter dem gängigeren Titel Anastasius Salisburgensis. Auch hier treffen mahnende Vorzeichen den unbotmäßigen Hauptdarsteller. Das passte doch auch gut in die aktuelle Produktion (bei Bedarf bitte ins Lateinische rück-übersetzen):

Wie trügerisch und leer der Menschen Hoffnung ist!
Um ihres Lebens Augenblicke feilschen sie mit mir,
hoffen keck ein Leben endlos lang,
Und fressen, saufen, spielen, schlafen nur.
Ein wahres Musterbild dafür sitzt hier vor mir

Die gesamte umfassende Forschungsarbeit zum Salzburger Jedermann: Christoph Brandhuber, Franz Witek: Der erste Salzburger Jedermann, in: Grazer Beiträge 27 (2010), S. 91–129.
Bilder: Universitätsbibliothek Salzburg, Sign. M I 205, fol. 219R (1); aus: Ursula Schachl-Raber (Hg.): Christoph Brandhuber: Gymnasium mortis. Das Sacellum der Universität Salzburg und seine Sitzgruft. Verlag Müry Salzmann, Salzburg 2014
Zur dpk-Besprechung von Brandhubers Buch Gymnasium mortis
Busreise in die Ewigkeit

 

 

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