Jedermann für Jedermann
JEDERMANN / FAISTENAU
02/07/19 In Faistenau zieht eine tausendjährige Linde mit der Erhabenheit der Domfassade als Kulisse für Hofmannsthals Jedermann gleich. Diesem Bild folgt alles andere: Das berühmte Moralspiel trifft Mundart, Tracht und unerwartete Aufrichtigkeit.
Von Franz Jäger-Waldau
„Der Tod ist großteils in Hochdeutsch. Das ist aber kein großes Problem“, erklärt der „Tod“ Alois Klaushofer. Die Neigung zum Dramatischen ist in Faistenau historisch angelegt: Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg beginnen die Menschen in Faistenau, Theater zu spielen. Aus der Passion wird Brauch, ein Heimatverein Zur Alten Linde wird gegründet. Traditionell wird alle drei Jahre Hugo von Hofmannsthals „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ am Faistenauer Dorfplatz unter der „tausendjährigen Linde“ aufgeführt. Daran beteiligen sich über 100 Faistenauer Laienschauspieler und Mitwirkende, man möchte meinen, das halbe Dorf. Gespielt wird nach der volkstümlichen Bearbeitung von Franz Löser, der das Stück in den Salzburger Dialekt übertrug. Dort klagt etwa die Mutter: „Des nehm i so als Zoacha hin, dass i scho boid zum Sterben bin.“ worauf Jedermann gesteht: „Ganz grusalt lauft’s mir übern‘ Ruckn“. Die Regisseure Hermann Radauer und Josef Resch integrieren Jedermann in die Kultur des Salzkammergutes: Der Protagonist ist kein Snob, er ist ein reicher Bauer. „Jedermann stellt einen reichen Mann dar, gleich, ob das nun ein reicher Bauer oder ein Banker ist. Im Grunde geht es aber immer darum, zu vermitteln, wie man richtig leben sollte“, erklärt der „Jedermann“ Albert Radauer, der seit seiner Jugend im Vereinstheater mitwirkt.
Im Vergleich zur pompösen Domfassade und dem keimfreien Festspielmilieu wirkt das ländliche Szenario überraschend authentisch. Das Publikum verliert sich hier nicht im Suchen einer Regierungskritik zwischen dem dicken und dünnen Vetter, aber nimmt dafür die Idee des Stücks mit einer gewissen demütigen Geistesstille auf.
Um das Bühnenbild kümmert sich die Geschichte von Faistenau: Der Dorfplatz zwischen Kirche und Gasthof wird einfach mit Sesselreihen für Zuschauer aufgefüllt. Dieser Platz sei ursprünglich ein Richtplatz gewesen, erzählt Albert Radauer, insofern eigne er sich auch funktionell als Ort des Gerichts über Jedermann. Seit 1963 findet dort das Schauspiel unter der satten Laubdecke der sogenannten „tausendjährigen Linde“ statt, ein erhabener Baum, dessen genaues Alter allerdings (und immerhin) nicht mehr feststellbar ist. Man geht aber davon aus, dass die Linde als Zeichen der Gemeinschaft von den ersten Siedlern gepflanzt worden sei. Im Jahr 1863 wird sie jedenfalls vom Salzburger Kirchenblatt erwähnt: „Ein Gegenstand allgemeiner Bewunderung war die große Linde auf dem Platze vor der Kirche – sie mißt 4½ Umgriff oder 27 Fuß –, an der die Kanzel angebracht war; mit sehr geringer Mühe wurde ein ganz bequemer Aufgang von 9 Stufen durch die sehr schön verwachsene Höhlung der Linde hergestellt, so daß der Prediger aus dem Innern des Baumes auf die Kanzel heraustrat.“ (Heimatverein Faistenau, dpk-jw)