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Abendsegen ohne Engel

UNI MOZ / HÄNSEL UND GRETEL

08/01/24 Engelbert Humperdincks wagnerische Märchenoper Hänsel und Gretel wird in der  Universität Mozarteum als psychologisches Kammerspiel mit 14köpfigem Orchester auf die Bühne gestellt. Das Ergebnis lässt sich sehen und hören, auch wenn sich das große Opernglück nur partiell einstellt. Jedenfalls ist es diesmal kein Stück für Kinder, sondern eines für Jugendliche und Erwachsene.

Von Gottfried Franz Kasparek

Regisseurin Rosamund Gilmore, die damit ihren Abschied vom Haus feiert, wird man vermissen. Sie beherrscht das Handwerk ihres Berufs perfekt und lässt den Stücken ihren Sinn und ihren Zauber. Auch wenn diesmal das Bühnenbild, abgesehen von einigen weißen Requisiten und Wänden, darunter einer Hausfront, die für die Besenbinderfamilie und die Hexe die selbe bleibt, vor allem aus Videoprojektionen von Studierenden der Abteilung für „Szenografie“ besteht.

Immerhin kommt in – ja, sie heißt wirklich so und den Namen sollte man sich merken – kommt in Ella Hölldampfs mit einem Computer spielenden Kind beginnendem „Hexenritt“ der Wald vor. Und zwar durchaus bedrohlich, wie er ja sein soll. Tatsächlich der von Christina Winkler prachtvoll und haarscharf an der Kitschgrenze entfesselte Bilderrausch während der Verwandlung ins Knusperhäuschen voller phantastisch-romantischer Reize. Überhaupt nicht schlüssig, obwohl an sich sehenswert, ist Nogati Udayanas irgendwie spanisch und erotisch wirkendes Verhüllungs-Spiel eines gar nicht kindlich wirkenden Paars mit knallroten Tüchern während des „Abendsegens“. Schön, das zwischen dem manchmal nervenden Videogeflimmer doch noch genug Raum bleibt für die ganz in Weiß gewandeten Menschen auf der Bühne, die zwar recht aseptisch wirken, aber es dank kluger Personenregie dennoch schaffen, aus Fleisch und Blut zu sein. Wenn sie nicht gerade am Rand lebende, gleichsam eingefrorene Bilder darstellen müssen.

Julia Eckes ist mit gehaltvollem Mezzo ein pummelig trotziger Hänsel, Anna-Maria Husca mit hellem Sopran und trotz irisch-rumänischer Herkunft souveräner deutscher Artikulation eine quirlig mädchenhafte Gretel. Aus den Kindern des Märchens werden in der Realität der Bühne und der Besetzung mit Sängerinnen ja häufig junge Erwachsene, im besten – und so auch in diesem Fall – pubertierende Jugendliche.

Konstantin Igl ist als Hexe, man erfährt es auf Nachfrage, eine Horrorvision der sterbenden Mutter. Die Mutter, in all ihrer Frustration aus bitterer Armut glänzend gespielt und gesungen von Julia Heiler, stirbt auch im Grimm'schen Original, aber nicht bei Humperdinck und seiner Librettistin Adelheit Wette. Die Hexe ist diesmal zweifellos ein Hexer, ein Missbrauchstäter, der aber kaum älter wirkt als seine Opfer. Konstantin Igl spielt das mit einer fabelhaften, schmierig-süßlichen Eleganz und hat seinen leichten lyrischen Tenor charaktervoll geschärft.

Keine Angst, die Kinder stoßen samt hilfreichem Vater auch in dieser Sichtweise das Böse ins Feuer und begrüßen die freilich nicht mehr anwesende Mutter. Máté Herczeg ist mit klangvollem Kavaliersbariton ein sehr glaubwürdiger, trotz seiner Existenzprobleme stets hoffnungsvoller Besenbinder Peter. Mit allerfeinsten Sopranklängen und gleichfalls bestem Deutsch stattet die Ukrainierin Anastasia Fedorenko das Sand- und das Taumännchen aus.

Es ist bewundernswert, wie Maestro Kai Röhrig, der das Stück schon oft im Original dirigiert hat, die Leute auf der Bühne quasi auf Händen trägt und was er aus seinem wackeren Kammerorchester – ein Sonderlob gebührt der Harfe – an differenziertem Klangreichtum herausholt. Letzteres funktioniert natürlich besser in den ohnehin transparenter komponierten Kinderlieder-Szenen als in den mächtig aufrauschenden Pantomimen, die auch der geschickte Partitur-Bearbeiter Alexander Krampe nur andeuten konnte. Das herrliche Finale des zweiten Bildes, die rein instrumentale Engelspantomime, fiel unter diesen Umständen leider dem Rotstift zum Opfer. Das Programmheft bietet Information zur Produktion, jedoch nichts zum Komponisten, der Stückwerdung und zur Musik. Insgesamt aber eine Aufführung von eigentümlichem Format.

Hänsel und Gretel – weitere Vorstellungen, teils in alternativen Besetzungen, am Samstag (9.12.) um 16 Uhr, sowie am 11. und 12. Dezember jeweils um 19 Uhr im Max Schlereth-Saal der Universität Mozarteum – www.moz.ac.at
Bilder: Fabian Helmich

 

 

 

 

 

 

 

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