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Die dunkle Seite der Macht

OPER GRAZ / MACBETH

29/11/23 Die Hexen schauen gleich aus wie Macbeth. Nur Köpfe und Gesichter sind unförmig und von Narben entstellt. Diese Hexen stehen für die übelsten Seiten einer gestörten Persönlichkeit. Sie sagen weniger die Zukunft voraus, als dass die dem Fragenden klar machen, was er längst weiß und will: Macht um jeden Preis. Nur ein bisserl feig ist er halt, dieser Macbeth...

Von Heidemarie Klabacher

Gespenster. Giftwolken aus dem Kupferkessel. Scharlataninnen... Die Hexen, oft der Schwachpunkt über-engagierter Macbeth-Inszenierungen, stellen den Frauenchor und sind als multiples Alter Ego des Titelhelden immer präsent: Verdis Macbeth als intensives Kammerspiel in der Regie von Kateryna Sokolova. Eine einzige Figur im Hexenreigen – nicht verunstaltet, liebenswürdig im Gestus – steht für dessen längst entmachtete gute Eigenschaften. Vergeblich versucht die „Lichthexe“ das unwiderrufliche Abgleiten Macbeth' auf die dunkle Seite der Macht zu verhindern. Spöttisch kindisch zeigt Macbeth dem letzten Aufflackern seines besseren Ich die lange Nase.

In Bestform waren bei der Premiere Chor & Extrachor der Oper Graz, einstudiert von Johannes Köhler: Die Damen, als Hexen-Alter Ego darstellerisch im Zentrum, sangen so präzise und textdeutlich wie klangvoll und homogen. Wo nötig martialisch, aber ebenfalls homogen und geschmeidig, die Herren. Der Hexenchor Che faceste? Dite su! leise federmd gesungen, trieft von Ironie. Patria oppressa, der Chor der an der Tyrannei Macbeth' verzweifelnden Schottinnen und Schotten, war nicht nur von höchster Chorkultur, sondern zusätzlich bewegend durch die verheerende Aktualität der Situation. Die Banco auflauernden Mörder muss man dagegen fast lieben, so tänzerisch schmieden sie ihr Komplott.

Das Orchester bietetet den sängerischen Leistungen, des Chores wie der Solisten, eine delikate facettenreiche Klangbasis, durchhörbar, transparent und dabei von größter Klangwirkung: Die Grazer Philharmoniker wurden von Vassilis Christopoulos, dem neuen Chefdirigenten der Oper Graz, zum Swingen verführt. Gespielt wird die Pariser Fassung von 1865 (nur ohne Ballett und finalen Siegeschor, der ohnehin unpassend ist, bei lauter Verlierern). Jedes einzelne „umtatata“ der Verdi'schen Begleitfiguren, auch in der revidierten Fassung durchaus noch erhalten, eine kleine feine Eruption von Energie. Jede Linie, etwa in der Arie La luce langue der Lady Macbeth, eine deutlich nachvollziehbare Einladung tief hinein die komplen Strukturen der Harmonik.

Es fließt kein Blut in dieser Inszenierung. Wenn, dann rieselt roter Glitzer. Den psychologischen Ansatz, eine gestörte multiple Persönlichkeit ihren vielen Facetten sich selbst gegenüberzustellen, verfolgt die Regisseurin Kateryna Sokolova so konsequent wie spannungsvoll. Das Bühnenbild von Nikolaus Webern ist ein offener beweglicher Raum, der Abgründe deutlich macht. Eine Ruine im Nebel, eine Burg mit ins Nichts ausfransendem Mauerwerk. Die Stiegen erinnern an M. C. Escher, führen ins Nirgendwo.

Die Kostüme von Constanza Meza-Lopehandia sind von eleganter Zeitlosigkeit. Einzig die Hosen im Tartan-Muster spielen mit dem schottischen Setting, die schwingenden Gehröcke mit hängenden Epauletten bringen Farbe und ein wenig Miltiärisches in die gradlinigen Schnitte. Lady Macbeth? Eine gute „altmodische“ Ehefrau im weich fließenden Gewand, die dem Gatten das Beste will – und sei es das Böseste. Dshamilja Kaiser verleiht dieser eindrucksvollen Lady Macbeth stimmlich wie darstellerisch eindrucksvolle Größe. Die Mezzosopranistin hat bei währender Aufführung ihrer Partie immer stärker Farbe, Timbre und Glanz verliehen. Eine wunderbar un-affektierte und daher umso abgründigere Figur.

Mikołaj Zalasiński als Macbeth hat – man kann es nur so sagen – bei der Premiere am Samstag (25.11.) die Stimme verloren. Da half kein Daumenhalten oder Beten. Intendant Ulrich Lenz ist nach der nur wenig verlängerten Pause auf die Bühne gekommen. Erzählte, wie heftig telefoniert und letztlich eine ganz naheliegende Lösung gefunden worden sei: Weitersingen werde einer, „der bereits abgesungen ist, weil er schon tot ist“. Wilfried Zelinka gab bis dahin einen charismatsichen Banco, farbenreich und geschmeidig im Gesang, in der Darstellung ein souveräner Gegenpol zum psychotischen Macbeth. Nach der Pause also sang Wilfried Zelinka, noch immer im Kostüm des Ermordeten, die Titelpartie vom Bühnenrand aus zur Darstellung von Mikołaj Zalasiński. Aufführung gerettet.

Mario Lerchenberger gibt die Partie des Macduff mit strahlendem Tenor, sorgt für helle Glanzpunkte innerhalb der „dunklen“ Macbeth-Welt. Euiyoung Peter Oh macht als Malcolm überzeugend schlechte Figur als verwöhnter Infant, der an den Ohren in Reih und Glied gezogen werden muss. Auch das eine kluge Charakterzeichnung. So verhalten, stilsicher und überzeugend wie die gesamte Produktion, deren Verebben im Sterben des Macbeth... Jubel für alle.

Macbeth – Aufführungen in der Oper Graz bis 17. März 2024 – oper-graz.buehnen-graz.com
Bilder: Oper Graz / Werner Kmetitsch

 

 

 

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