Viele Frauen beim Brucknerfest ohne Bruckner
INTERNATIONALES BRUCKNERFEST LINZ
11/09/23 Nächstes Jahr wird Anton Bruckners 200. Geburtstag gefeiert. Heuer steht beim Brucknerfest kein Werk des Namensgebers auf dem Programm. Dafür sind nahezu alle Konzerte weiblich ausgerichtet. Der Auftakt zum Brucknerfest Linz am Sonntag (10.9.) galt Ethel Smyth und Dora Pejačević.
Von Horst Reischenböck
Bruckner und sein Verhältnis zur Weiblichkeit ist ein Thema für sich. Das Symposium Anfang Oktober dürfte dieses wohl nur am Rand streifen. Sollen doch dort vor allem Femmes musicales – Frauen in der Musik des 19. Jahrhunderts als Thema behandelt werden. Immerhin schätzte Bruckner Mathilde Kralik von Meyrswalden als Schülerin, während sein Antipode Brahms von Frauen nicht weiter angetan war...
Im Eröffnungskonzert widmete sich das Bruckner Orchester unter seinem Chefdirigenten Markus Poschner zunächst voll animiert einem Komponisten – Pjotr Ijitsch Tschaikowskys Fantasie-Ouvertüre Romeo und Julia. Das war, vor den Werken der weniger breit bekannten Komponistinnen, vielleich als lockendes Gustostückerl programmiert, hatte aber geringe Wirkung: Der Große Saal des Bruckner Hauses hätte durchaus mehr Interessenten vertragen! Dabei ging es im weiteren Verlauf um absolute Novitäten für Linz.
Eine gedankliche Verbindung und das übergeordnete Motto des Abends „Liebes-Dialoge“ entschlüsselten sich bald: Nicht nur ob William Shakespeares literarischer Vorlage, sondern auch, weil Tschaikowsky Ratgeber der Londoner Komponistin Ethel Smyth war: Sie musste sich ihre Anerkennung als Komponistin hart erkämpfen und, obwohl die Musikgeschichte Englands um 1900 nicht gerade überquoll, wurde erst in jüngster Zeit wiederentdeckt. Ethel Smyth starb zwar erst im hohen Alter von 86 Jahren, erlitt aber schon dreißig Jahre vorher Ludwig van Beethovens Schicksal zunehmender Taubheit. Das beeendete dann ihre schöpferische Tätigkeit.
Eins ihrer letzen Werke ist das klanglich zwar reizvolle, vom Zusammenfinden zweier Solisten aber nicht so einfach zu besetzende Konzert für Violine und Horn op. 41, das in seinen drei Sätzen den Ausführenden liebevolles Dialogisieren untereinander und mit dem assistierenden Orchester anbietet. Die aus Rom stammende Geigerin Francesca Dego und ihr deutscher Partner, der Hornist Marc Gruber, waren jedenfalls ein Herz und eine Seele und begeisterten mit ihrem Können. Bedauerlich nur, dass diese Paarung keine Zugabe ermöglicht.
Der Bariton Benjamin Appl wird übrigens im weiteren Verlauf des Brucknerfests Lieder von Ethel Smyth singen. Den Kreis schließt dann der Bachchor Salzburg in der Stiftsbasilika St. Florian mit der Messe D-Dur Ethel Smyth.
Nach der Pause galt die Erinnerung der vor hundert Jahren viel zu früh verstorbenen Komponistin Dora Pejačević, mit deren Sinfonie fis-Moll op. 41. Dora Pejačević die erste Komponistin ihrer Heimat Kroatien in diesem Genre. Das Werk ist schon rein äußerlich opulent dimensioniert mit vier Trompeten, einem halbem Dutzend Hörner, drei Posaunen und Tuba nebst voller Holzbläserbesetzung, Glockenspiel und Xylophon. Die daraus gewonnen vielschichtigen spätromantischen Klänge gehen mit den programmatischen Ideen gekonnt konform.
Entstanden mitten im Ersten Weltkrieg ist die Sinfonie als dessen Reflexion düster, das wird schon im Kopfsatz dramatisch gesteigert. Das Englischhorn führt dann klagend in die Trauermarsch-Abschnitte des Andante ein. Auch das nachfolgende, den Dreiertakt immer wieder konterkariernde Scherzo wird das Dunkel nur unwesentlich erhellen. Das Finale gibt sich erneut kämpferisch, bekrönt von Strahlen der Blechbläser, endet dennoch ohne positiven Erlösungsgedanken. Ein großes Werk. Mehr als den Anfang einer zweiten Sinfonie zu skizzieren war Dora Pejačević nicht mehr vergönnt. Unter Markus Poschners animierender Leitung Taktstock ließ es das Bruckner Orchester Linz das Werk in allen Facetten funkeln.
Der würdige, bejubelte Auftakt zum Brucknerfest kann am 22. September um 20 Uhr auf Ö1 nachgehört werden – www.brucknerhaus.at
Bild: rbartists / Reinhard Winkler