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Das Publikum liebt den Tenor

WIEN / LUCIA DI LAMMERMOOR

11/02/19 Über vierzig Jahre seit der letzten Lucia-Premiere in der Staatsoper hob sich am Samstagabend (9.2.) der Vorhang für eine Neuproduktion von Gaetano Donizettis Meisterwerk. Mit Olga Peretyatko in der Titelpartie und Juan Diego Flórez als Edgardo.

Von Oliver Schneider

Mehr als freundlichen Applaus gab es nach der großen Wahnsinnsszene Lucias im dritten Akt vor einer blutroten Bühnenrückwand und auf einem blutroten Läufer auf der ansonsten dunklen Bühne nicht, obwohl Olga Peretyatko bei ihrem Wiener Rollendebüt nach verhaltenem Start doch sehr glaubwürdig die dem Wahnsinn verfallene junge Frau mimte. Mag der eine oder andere Besucher auch überhört oder im zumindest im Programmheft überlesen haben, dass die Aufführung auf dem kritischen Aufführungsmaterial von Gabriele Dotto und Roger Parker beruht, die es ermöglicht, den ursprünglichen Vorstellungen Donizettis und seines Textdichters Salvadore Cammarano in einer Aufführung nahe zu kommen. Peretyatko verzichtet deshalb am Ende des Larghettos in ihrer Wahnsinnsszene auf die sich im Wettstreit mit der Glasharmonika in ätherische Höhen aufschwingende Kadenz, denn diese wurde erst Jahre später für eine Pariser Aufführung komponiert.

Das mag zwar ungewöhnlich sein, ist aber deshalb nicht weiter tragisch, weil Lucia in Laurent Pellys Inszenierung von Anfang an als psychisch Gestörte gezeichnet ist. Und die Peretyatko weiß sich auch ohne schwindelerregende Höhe mit Koloraturen, Verzierungen, kunstvoll eingesetzten Trillern und berückenden Piani glaubwürdig in die Konzeption einzufügen. Das Verhaltene zu Beginn des Abends wird ohne den Premierendruck und die Last der Wiener Aufführungsgeschichte sicherlich schwinden. Vollkommen ungerecht war es – auch wenn man seine eigenen Erwartungen und vor allem festgefahrene Vorstellungen nicht erfüllt sah – ihre insgesamt gute Leistung mit einem Buh zu quittieren.

Dem meisten Applaus heimste am Samstag Publikumsliebling Juan Diego Flórez als Edgardo ein, der seine Schlussszene und Arie Fra poco a me ricovero problemlos in der originalen Tonhöhe sang. Flórez’ Wiener Rollendebüt geriet zum Triumph für den peruanischen, in Wien beheimateten Tenor. Seine Stimme besitzt noch immer in der Höhe so viel Glanz und Strahlkraft und ist gleichzeitig in der Mittellage substanzreicher geworden. George Petean gibt Lucias Bruder Enrico und damit Edgardos Widersacher mit durchdringendem, klarem und kernig klingendem Bariton. Ihr gegenseitiger Hass entlädt sich eindringlich in der Turmszene zu Beginn des dritten Aktes, in der die beiden Erbfeinde das entscheidende Duell für den nächsten Tag vereinbaren.

Jongmin Park als stimmkräftiger Raimondo ist weniger der weise Ratgeber, der Lucia trotz der erzwungenen Hochzeit mit Arturo auch Trost in ihrer Lage spendet, als ein williger Helfer ihres um die schwindende Macht ringenden Bruders. Auch Edgardo ist von der Regie nicht als feurig Liebender gezeichnet, sondern scheint aus Machtkalkül zu handeln, wenn er Lucia ihre angeblich Untreue vorwirft.

Sorgfältig besetzt sind die kleineren Partien mit Lukhanyo Moyake als Arturo, Virginie Verrez als Alisa und dem jungen Chilenen Leonardo Navarro als Normanno, von dem man sicherlich in Zukunft noch mehr hören wird.

Zu Laurent Pellys Bebilderung, die bereits im letzten Herbst beim Koproduktionspartner in Philadelphia zu sehen war, lässt sich so viel sagen, dass sie weder stört noch in Erinnerung bleiben wird. Gespielt wird auf einer schwarz-weiss-grauen Winterbühne mit regelmäßigem Schneefall. Erinnern soll das Ganze an Jean Epsteins Stummfilm von Edgar Allan Poes Der Untergang des Hauses Usher, in dem Traum und Realität verschwimmen. Was in der Produktion komplett fehlt, ist so etwas wie Personenführung. Nur peinlich die Choreographie des auch in der Intonation nicht immer ganz sicheren Staatsopernchors (Einstudierung: Martin Schebesta). Schade, dass auch diese Staatsopernpremiere sich in die Reihe der szenischen Belanglosigkeiten einreiht. Das Publikum quittierte den Auftritt des Regieteams mit kurzem Missfallen.

Musikalisch liegt der Abend hingegen bei Evelino Pidò in sicher lenkenden Händen. Ihm und dem gut vorbereiteten Staatsopernorchester merkt man das Feuer für Donizettis Romantik an. Die stimmungsvollen Farben der Partitur sind schön herausmodeliert, und es fehlt auch nicht an dem nötigen Brio in den dramatischen Momenten.

Weitere Aufführungen am 12., 15., 18. und 21. Februar – www.wiener-staatsoper.at
Bilder: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

 

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