Nur ein Gaukler, Spielball des Glücks
REST DER WELT / GRAZ / DIE ZIRKUSPRINZESSIN
13/02/17 „Den Reitersmann, den Schneidigen, / darf keine Frau beleidigen.“ In Akt eins und zwei von Emmerich Kálmáns Operette „Die Zirkusprinzessin“ ist die Welt der Husaren und der anderen echten Männer noch schwer in Ordnung. Des Vergnügens wegen sind sie hinter den „kleinen Mädeln im Trikot“ her. Aber hinter der verwitweten Fürsin Fedora, wenn's ums Geld geht.
Von Reinhard Krechbaum
Im dritten Akt ist die alte Welt endgültig den Bach hinunter, Fedora hat ihr Geld und damit die falschen Verehrer eingebüßt, und Miss Mabel Gibson, eines von diesen „Mädeln im Trikot“, kann dem Hotelerben, den sie sich geangelt hat, gar ungestraft im Tanzschritt des Charleston drohen: „Wenn Du mich sitzen lässt, fahr ich sofort nach Budapest“.
Ein angestaubtes Stück? Wenn man es recht angeht, kann „Die Zirkusprinzessin“ erstaunlich subversiv daherkommen, ohne an Glamour und vor allem an Charme einzubüßen. Peter Lund ist der Regie-Meister, der im Grazer Opernhaus die Schrauben der Zeit- und Sittengeschichte nachjustiert. Heil ist diese Welt schon von Beginn weg nicht. „Mister X“, der zielsichere Revolverheld in einer viel bestaunten Zirkusnummer, ist in Wirklichkeit ein abgetakelter russischer Adeliger. „Wieder hinaus ins strahlende Licht“ ist sein „Ride Pagliacci“. Er ist eine tragische Existenz und führt sich als Melancholiker ein: „Nur ein Gaukler, Spielball des Glücks.“ Seine Kollegin Miss Mabel, in Wirklichkeit eine Wiener Offizierstochter, ist als „halbseidener Schmetterling“ im Zirkus gelandet. Beiden ist in ihrer latent hochkommenden Verzweiflung der Griff zur Flasche nicht fremd. Doch Fürstin Fedora am anderen Pol der morbiden Gesellschaft ist nur wenig besser dran. Was hat sie, diese lustige Witwe einer Endzeit, schon für Chancen? Lauter Popanzen auf Mitgiftjagd umtanzen sie. In ihrem Auftrittslied führt sie diese feinen Herren mit der Peitsche vor, sie dürfen Kapriolen machen und bekommen Zucker wie dressierte Pferde.
„Eine Gesellschaft, die um sich selber weiß und der dennoch die Kraft fehlt, sich zu ändern – 'Die Zirkusprinzessin' ist das Stück zur Stunde.“ So Regisseur Peter Lund. Die trüben Gedanken hat Emmerich Kálmán ohnedies in die schmissigen Nummern hinein geschrieben. Lund hat einen Erzähler ins Spiel gebracht, den Kellner Pelikan (Christoph Wagner-Trenkwitz). Er redet manchmal in die leisen Instrumentalpassagen der Couplets hinein und lässt durchklingen: Auch schon bessere Zeiten gesehen. Aber dann bricht wieder die farbenfrohe Zirkuswelt herein, mit Gauklern und Harlekinen, mit einer als Affen verkleideten Zirkusband und dergleichen. So muss es sein in einer Operette, die hier so ernst genommen wird, dass man nicht unter seinem Niveau lacht.
Marius Burkert (der heuer im Sommer in Bad Ischl die Revue „Saison in Salzburg“ von Fred Raymond dirigieren wird), sorgt nicht nur für Turbulenz, sondern eben auch für die Zwischentöne. Kein Schmalz kommt aus dem Orchestergraben. Der Tenor Alexander Geller (Mister X) stattet das Lied von den „Zwei Märchenaugen“ mit verschwenderischen Hochtönen aus. Er und Ivan Oreščanin (Prinz Sergius, der die Intrige gegen die „Zirkusprinzessin“ einfädelt) sind deutlich besser aufgestellt als die weibliche Hauptrolle. Regina Riel (Fedora) ist in der Mittellage, sehr entscheidend für diese Partie, ist sie wenig durchsetzungskräftig. Die Mörbisch- und Bad Ischl-erprobte Sieglinde Feldhofer (Miss Mabel Gibson) und Alexander Kaimbacher (Toni Schlumberger) sind ein patentes Buffo-Paar.