Viel Musik-Neuland aus dem Nahen Osten
TRAUNSTEINER SOMMERKONZERTE
10/09/21 Woran denkt man bei einem Musikfestival, wenn Israel das Thema ist? An die schon lange währende Renaissance jüdischer KZ-Komponisten vielleicht. Oder an Mieczyslaw Weinberg, dessen Musik erst seit wenigen Jahren im Westen aufpoppt. An Erich Wolfgang Korngold natürlich, der die Filmmusik nachhaltig prägte.
Von Elisabeth Aumiller
Eher nicht an Tzvi Avni, von dem im letzten der Traunsteiner Sommerkonzerte am Dienstag (7.9.) das Violin-Duo Bridges zu hören war. Tzvi Avni wurde 1927 in Saarbrücken geboren, mit den Eltern emigrierte er 1935 nach Palästina und absolvierte sein Studium in Tel Aviv, wo er seitdem lebt. Er gilt als einer der bedeutendsten israelischen Komponisten. Die beiden Geiger des Vogler Quartetts, Tim Vogler und Frank Reinecke, beeindruckten im perfekt korrespondierendem Miteinander und im Ausloten einer sehr spezifischen Klangsprache.
Klar, dass einer, der das Kommunistische Manifest in eine Kantate verwandelt hat, auf der Abschussliste der Nationalsozialisten stand: Erwin Schulhoff, geboren 1894 in Prag, wäre wohl einer der kreativsten und originellsten Köpfe in der Neuen Musik geworden, wäre er nicht als entarteter Komponist eingestuft worden. Er hielt schon die sowjetische Staatsbürgerschaft und die Einreisegenehmigung in die UdSSR in Händen und geriet dann doch noch in die Fänge der Nazis. Er starb 1942 in einem bayerischen Internierungslager an Tuberkulose.
Schulhoffs Streichquartett Nr.1 aus dem Jahr 1924 ist ein eindrucksvolles Stück. Die übliche Satzfolge ist aufgemischt, auf drei Teile in flotter Rhythmik mit tänzerischem Charakter folgt ein Andante als zart ausklingender Schlusssatz. Böhmische Volksthemen machten auf sich aufmerksam. Unbeschwerte Spiellust ließen die Musiker auf die Zuhörerschaft überspringen und geradezu bravourös die virtuosen Anforderungen scheinbar mühelos erscheinen. Im zweiten Satz obliegt zuerst der Bratsche die Melodieführung, „con malinconia grotesca“, also mit grotesker Melancholie. Geheimnisvoll schwebende Zartheit charakterisiert die kantablen Passagen. Entschlossen mit vielfarbigen Nuancen gestaltete das Vogler Quartett die Tanzrhythmen im 3. Satz. Filigran und feinsinnig versponnen dann der langsame Finalsatz. Über das Cello-Pizzikato setzen die höheren Streicher wehende Zartheit und melancholische Poesie. – Zum Abschluss spielte das Vogler Quartett gemeinsam mit David Orlowsky Mozarts Klarinettenkonzert.
Das Programm der diesjährigen Traunsteiner Sommerkonzerte vom 1. bis 7. September mit Israel-Schwerpunkt hat noch die langjährige künstlerische Leiterin Imke von Keisenberg, die im Dezember 2020 unerwartet verstarb, geplant. In jedem Konzert wurden zum Teil vergessene jüdische Komponisten der klassischen Moderne mit berühmten Klassikwerken kombiniert. Zu Gehör kamen Werke von Paul Ben-Haim, Anver, Dorman, Tzvi Avni, Erich Wolfgang Korngold, Alexander Weprik, Abel Ehrlich, Mordecai Seter Mieczyslaw Weinberg und Erwin Schulhoff in Kombination mit Beethoven, Brahms, Schubert, Mozart, Mendelssohn und anderen. Unter den Ausführenden waren das Mandelring Quartett,das Atos Trio, das Novus String Quartet, das Vogler Quartett sowie die Solisten David Orlowsky, Anastasia Kobekina, Lauma Skride, Laura Ruiz Ferreres, Silke Aichhorn und Kolja Lessing.