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Dekorative Langeweile

PFINGSTFESTSPIELE / GIULETTA E ROMEO

15/05/16 Nicht jede Ausgrabung bringt verborgene Schätze zu Tage. Es gibt Opern, die man lieber in den Grüften der Musikwissenschaft ruhen lassen sollte. Nicola Antonio Zingarellis „Giulietta e Romeo“ entpuppte sich am Samstag (14.5.) konzertant im „Haus für Mozart“ leider nicht als Pfingstwunder, allen Anstrengungen der Beteiligten zum Trotz.

Von Gottfried Franz Kasparek

Maestro Zingarelli - vier Jahre älter als Mozart und erst 1837, zwei Jahre nach Bellini, seinem berühmtesten Schüler, gestorben - war eine honorige Persönlichkeit und gilt als letzter Meister der neapolitanischen Opernschule. Einst erkundete diese Ära zu Pfingsten Riccardo Muti mit Feuereifer. Raritäten von Cimarosa, Paisiello und Jommelli, allesamt nicht so vergessen wie Zingarelli, sind in bester Erinnerung. Wenn man „Zingarelli + Muti“ googelt, kommt eine Nullmeldung. Dies dürfte seine Gründe haben. Schon um 1830 wurde die Oper „Giulietta e Romeo“ endgültig von Rossinis Brio, Bellinis Melodienzauber und Donizettis Dramatik hinweg gefegt.

Cecilia Bartoli hat sich offenbar für die Partie des Romeo begeistert, die zunächst virtuoses Futter für einen Kastraten, später für Primadonnen war. Die dramaturgisch recht geschickte, textlich eher hanebüchene „Romeo und Julia“-Version des Librettisten Foppa kommt mit wenigen Figuren aus, konzentriert sich auf das Liebespaar, Vater Capulet, hier Cappellio, den bald dahin scheidenden Tybald-Teobaldo, eine Vertraute Julias und einen Freund beider Familien namens Gilberto. Shakespeares Theatergenius bleibt in weiter Ferne. Zingarellis geschwätzige Musik von 1795 rattert zwei Akte lang langweilig und kunstgewerblich dahin, berührt keinen Takt lang und bleibt so formelhaft, als hätte Mozart nie gelebt.

Nichts davon bleibt im Gedächtnis. Vorahnungen der italienischen Romantik, wie eine Stretta des Teobaldo mit Chor, sind nicht mehr als interessant und lassen Sehnsucht nach Verdi aufkommen. Immerhin, im dritten Akt darf sich Romeo ausführlich seinem Leiden am Grabe Julias hingeben und endlich findet, allen dekorativen Verzierungen der Gesangsstimme zum Trotz, so etwas wie Theater mit musikalischer Wahrhaftigkeit statt. Dies ist eine Szene, die sich für Arienabende brillanter Countertenöre durchaus empfiehlt.

Da die Bartoli den bubenhaften Romeo denn doch nicht mehr darstellen kann und der Ersatz der Kastraten- durch Hosenrollen aus der Mode ist, darf Franco Fagioli seinen voluminösen, bis ins Baritonale reichenden, effektvoll vibrierenden Countertenor ertönen lassen. Zweifellos, dies tut er mit großer Kunst, sympathischem Auftreten und sogar glaubwürdigen Spielelementen, sodass ihm der Jubel des Publikums sicher ist. Neben Ann Hallenberg, mehr gereifte Wikingerbraut als zartes Mädchen von höchstens 14 Jahren, wirkt er unfreiwillig komisch, wenn er sich im Tod an deren starke Schultern lehnt. Augen zu und durch, heißt es da, denn Ann Hallenberg ist stimmlich mit leuchtendem Mezzosopran durchaus eine stimmige Julia.

Aufhorchen lässt Bogdan Mihai, ein fescher junger Tenor aus Rumänien, mit großer Musikalität, hellem Timbre und kluger Gestaltung als Vater Cappellio. - Der ja durchaus selber noch jung sein darf, wenn man bedenkt, in welch zartem Alter anno dazumal Töchter an den Mann gebracht wurden. Sein patriarchalisches Gehabe wäre ein guter Anhaltspunkt für einen Regisseur, denn ein wenig weiter östlich gibt es das heute immer noch. Auch der smarte Tenor Juan Sancho punktet als Teobaldo in aller Kürze, ebenso wie der Counter Xavier Sabata als scheiternder Vermittler Gilberto und Irini Karaianni als Freundin Matilde mit ansprechender Sopranlyrik, ihre Rollen bestens erfüllen.

Dem Ganzen gibt der auch am Hammerklavier erfreulich klangvoll wirkende Dirigent George Petrou mit der verlässlichen „Armonia Atenea“ und einem ebenfalls griechischen, in Sparversion angetretenen Männerchor qualitätsvolles Originalklang-Fundament.

Rundfunkübertragung am 21. Mai um 19.30 Uhr in Ö1
Bilder: Salzburger Festspiele / Silvia Lelli
Zum Hintergrund-Bericht „Unwiderstehlichste Wirkung auf jedes empfängliche Gemüt“

 

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