Um Jahrzehnte gealtert
PFINGSTFESTSPIELE / EIN ZARTES DING
15/05/16 Hans-Michael Rehberg als Romeo und Ilse Ritter als Julia: ein altes Liebespaar. Eine Leseaufführung des Stücks „Ein zartes Ding“ von dem Dramaturgen Ben Power im Salzburger Landestheater.
Von Werner Thuswaldner
Im Foyer des Landestheaters wurde am Samstag intensiv über die Aufführung der „West Side Story“ geredet. Teile des Publikums konnten sich offenbar nicht so leicht mit der Art abfinden, wie sich Cecilia Bartoli in das Stück eingebracht hat. Sie sang die Rolle der Maria, gespielt wurde der Part aber von einer anderen. Einige meinten – vielleicht im Sinne der Ökonomie – sie hätte zugleich auch die Darstellerin sein sollen. Der Dialog ging so: „Na, des wär net gongan. Dafir is sie vü z’oid. Mit kana Schminke hätt ma dos hinkriegt.“ „Da Aufwond woa gigantisch“, sagte der Gesprächspartner anerkennend.
Am Samstagvormittag (14.5.) ging es wie in der „Westsidestory“ ebenfalls um „Romeo und Julia“. Aber anders.
Ben Power ist ein junger englischer Dramaturg, der von seinem Beruf beseelt ist. Er begnügt sich nicht damit, Stücke zu lesen und einzukürzen. Stücke regen seine Phantasie an und fordern ihn heraus. Er zeigt den Dichtern, wie sie es hätten anders machen können.
Shakespeare ist für ihn einer dieser Autoren, die nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben. Ben Power springt ein und führt am Beispiel von „Romeo und Julia“ vor, was außer der Shakespeare-Fassung mit dem Plot sonst noch anzufangen gewesen wäre. Durch geschicktes Jonglieren mit dem Text machte er aus Romeo und Julia ein altes Paar, das auf sein Leben zurückblickt und das Ende nahen fühlt. Und es funktioniert. Nach einer elegischen Stunde, in der sie ungemein gefühlvoll aufeinander eingehen, begehen die beiden Selbstmord.
Die sonderbare Verwandlung des stürmischen jungen Liebespaars, das wie von einer Zeitmaschine um Jahrzehnte gealtert ist, war aber nicht der Hauptgrund, warum das eine lohnenswerte Leseaufführung war. Der Hauptgrund waren die engagierten Schauspieler, Hans-Michael Rehberg als Romeo und Ilse Ritter als Julia. Beide hatten schon große Festspiel-Auftritte. Dazu kam Michael Rotschopf, der für die Zwischentexte zuständig war.
Ben Powers Fassung ist bereits da und dort wie ein normales Bühnenstück inszeniert worden. Weil das szenische Geschehen aber doch recht reduziert erscheint, ist eine Leseaufführung durchaus angemessen. Die Reduktion auf Andeutungen tut dem Unternehmen gut, die bilderreichen Shakespeare-Verse – in der Übersetzung von Schlegel/Tieck – kommen aufs Beste zur Geltung. Die drei Sprecher machen sie zu einem eindringlichen Hörerlebnis.