Schöne Welt, wo bist du?
PFINGSTFESTSPIELE / CHRISTOPH UND JULIAN PRÉGARDIEN
25/05/15 „Ich mag die beiden so, die sind so seriös!“ So eine Stimme aus dem Publikum. Ja, seriös sind sie, Vater und Sohn Prégardien. Große Könner, große Stilisten, wahre Lied-Ästheten. Und musikalisch intelligente Gestalter sind sie freilich auch. Eine feine Liedmatinee im Großen Saal, mit Monteverdi und Schubert.
Von Gottfried Franz Kasparek
Das diesjährige Pfingstmotto „So ruf ich alle Götter“ zog sich natürlich auch durch dieses Konzert. Im ersten Teil erklangen Ausschnitte aus Claudio Monteverdis, „Il ritorno d’Ulisse in patria“ und „L’Orfeo“, verklammert durch zwei Kostbarkeiten aus dem zweiten Buch der Madrigale.
Jos van Immerseel am Cembalo war das animierende Zentrum des Ganzen. Eine kleine, namentlich leider ungenannte, vor allem weibliche Gruppe seines Ensembles „Anima Eterna Brugge“ sorgte mit Geige, Gambe, Harfe und einmal mit einem butterweich artikulierenden Spieler alter Blasinstrumente für ein entsprechendes, duftiges und dennoch akzentreiches Klanggewand. Vater Christoph und Sohn Julian Prégardien traten als Vater Odysseus und Sohn Telemach, später als Apollon und Orpheus auf und verwandelten mit wenigen, aber passenden Gängen und Gesten das Liedpodium sogar mitunter in eine Opernbühne. Die beiden sind stimmlich gut zu unterscheiden. Des Vaters leicht metallisch fokussierter, reiferer Tenor kontrastiert perfekt zum betont lyrischen, besonders in der Mittellage sanft leuchtenden Organ des Sohns. Kein Hauch eines Vibrato ist zu vernehmen, alles ist auf Linie gesungen, jedes Wort ist durchdacht, erfühlt und phänomenal verständlich. Dramatischer Impetus äußert sich in nobler Zurückhaltung. Die junge Schottin Catriona Morison, Mitglied des „Young Singers Project“, sorgte als Göttin Minerva mit edel geführtem Mezzosopran für sinnliche Farbe im Ensemble.
Der zweite Teil brachte Franz Schuberts Griechen-Lieder, Zeugnisse romantischer Antike-Verehrung nach Texten von Goethe, Schiller, Mayrhofer und Franz von Bruchmann. Des letzteren „An die Leier“ boten Vater und Sohn gemeinsam als Liebeserklärung an die Musik dar. „Denn meine Saiten tönen / statt Heldensang zu drohen / nur Liebe im Erklingen“. Eine sehr vergeistigte Liebe ist das. In der Folge wechselten Vater und Sohn einander ab, um ein paar Mal wieder im Duo aufzutreten. Die „Fahrt zum Hades“ oder „Gruppe aus dem Tartarus“ kann man nicht verinnerlichter singen. Die Frage ist freilich, ob da nicht doch oft ein wenig mehr an Nachdruck und Ausdruck nötig wäre. Die betont poetisch-leise Stimmung hing allerdings auch mit Jos van Immerseel zusammen, dessen kunstvoll dosiertes Hammerklavier-Spiel manchmal schon in der zehnten Reihe nur mit sehr gespitzten Ohren zu vernehmen war. Klar, Schubert hatte auch nur ein Hammerklavier. Interessant und lehrreich ist es allemal, dem Originalklang zu begegnen. Aber war Schubert nicht ein Komponist, der weit über das Maß seiner Zeit hinaus gedacht hat? Und zwar nicht allzu seriös?
Gegen solche Bedenken stand zunächst ein stiller Höhepunkt. „Die Götter Griechenlands“, das wundersame Dur-Moll-Spiel des „Schöne Welt, wo bist du“, dieses zarte Klage eines Einsamen, sangen Christoph und Julian Prégardien zu zweit so geheimnisvoll, so in sich ruhend und gleichzeitig voll berührender Wehmut, dass einem schier das Herz stehen blieb. Und als Finale brachten sie im Rollenspiel den gar nicht griechischen, aber für ein derartiges Tenorpaar wie geschaffenen „Erlkönig“ ergreifend zur Geltung. Zumal der Sohn sich nicht scheute, seiner eleganten Stimmführung nun ein paar gebührend grelle Töne abzuverlangen – „Erlkönig hat mir ein Leids getan“. Danach konnte man nur großen, herzlichen Applaus spenden, der mit zwei weiteren Duo-Bearbeitungen von Schubert-Liedern bedankt wurde. „Wanderers Nachtlied“ in klarer Schlichtheit bleibt im Gedächtnis.