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Das Ur-Fräulein der Moderatorinnen

PFINGSTFESTSPIELE / LESUNG / IPHIGENIE

24/05/15 „Der Grieche wendet oft sein lüstern Auge / Den fernen Schätzen der Barbaren zu.“ Da wäre es ja, das Zitat zur Wirtschaftssituation in der EU! Schade, dass wenigsten Zeitungs-Kolumnisten heutzutage ordentlich humanistisch gebildet sind. So was fällt ihnen nicht ein.

Von Reinhard Kriechbaum

Am Samstag Vormittag (23.5.) hat man also im Großen Saal des Mozarteums ein gutes Stück Weimarer Klassik auffrischen dürfen. Nicht ganz ohne Mühe. Es braucht in diesem Raum, für eine Lesung so ungeeignet wie kaum ein anderer in Salzburg, schon erhebliche Konzentration und gut gespitzte Ohren. Aber das sollte für Goethe wohl nicht zu viel verlangt sein.

Dürfte man auch verlangen, dass sich eine Schauspielerin mit dem Text vertraut macht, bevor sie vor die Zuhörerschaft tritt? Die Iphigenie dieses Lesevormittags , Brigitte Hobmeier, hat sich mindestens ein Dutzendmal verhaspelt und man hat ihr angemerkt, dass klassisches Versmaß ihre Sache nicht ist. Gottvertrauen ist vielleicht doch nicht der richtige Ansatz für ein Stück, in dem unter anderem abgehandelt wird, dass es mit den Göttern nicht so weit her ist. Sie müssen öfter mal als Ausrede für das eigennützige Tun der Menschen herhalten.

Schöne Gleichzeitigkeit: Während Gluck seine „Iphigenie en Tauride“ komponierte, brütete auch Goethe über dem antiken Mythos. Sein Schauspiel wurde ebenfalls 1779, nur sechs Wochen vor Glucks Oper, in Weimar uraufgeführt. Während den Musiker vor allem die Gefühle interessierten, war Goethe mit dem intellektuellen Überbau der Aufklärung beschäftigt. Viel steckt drinnen in der „Iphigenie“. Dass alle sehr gerne auf die Götter verweisen, aber immer sich selbst meinen, ist ein wichtiger Aspekt. Dass ausgerechnet der „Barbar“, König Thoas, das explizit ausspricht, ist zumindest bemerkenswert.

Ein anderer inhaltlicher Komplex betrifft das Frauenbild. Alle Männer sagen der armen Iphigenie immer, was sie zu tun hätte – aber sie emanzipiert sich und wird zuletzt so etwas wie die Urmutter, das Ur-Fräulein der Moderatorinnen unserer Zeit.

Manches von dem ist in den anderthalb Stunden eh herausgekommen. In der Phase des Sich-Emanzipierens hat Brigitte Hobmeier auch den Nimbus einer sprechenden Alabasterstatue abgelegt (ohne dass daraus ein griffiges Rollenbild gewachsen wäre). Die anderen Lesenden hätten es ihr nicht schwer gemacht, mehr zu geben: Hans-Michael Rehberg , der als Bote Arkas so etwas wie abwägende Vernunft einzubringen sucht; Michael Rotschopf (Orest) und Marcus Bluhm (Pylades); und schließlich Sven-Eric Bechtolf (König Thoas).

Das Programmheft hat Verantwortliche für Garderobe und Maske (die Lippenstift-Farbe für Frau Hobmeier?) ausgewiesen, aber niemanden, der für Dramaturgie oder gar Hörspiel-Regie verantwortlich zeichnete. Ein bisserl so hat es sich insgesamt angehört. Aber ein Trost: Wie in diesem Raum sonst Mozart, lässt sich auch Goethe eigentlich nicht umbringen.

Dass das Parterre gerade halb gefüllt war, war der Stimmung nicht zuträglich. Irgendwie waren das Microport-Equipement und das überschaubare Auditorium ein Widerspruch in sich. Darf man einer so namhaften Schauspieler-Crew, wie sie da versammelt war, nicht die Sprechtechnik zutrauen, die Ohren so weniger Lauschender zu erreichen?

Bild: Salzburger Festspiele / Janine Guldener

 

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