Nach dem Belcanto-Gott gleich der ganze Parnass
HINTERGRUND / PFINGSTFESTSPIELE / BILANZ 2014 UND AUSBLICK 2015
10/06/14 Die „Rossinimania“ hat nicht nur 1822 Wien erfasst, wovon man sich in einer Ausstellung im Schüttkasten noch bis 27. Juni ein Bild machen kann. Der Rossini-Taumel war auch im Salzburg 2014 ansehnlich: Sechs Prozent mehr Besucher bei den gestern, Montag (9.6.) zu Ende gegangenen Pfingstfestspielen.
„14.300 Personen aus 54 Ländern haben die Salzburger Pfingstfestspiele 2014 besucht“, heißt es in einer Presseaussendung zum Abschluss des Festivals. Dies sei eine Auslastung von 96 Prozent. „Nach Österreich, Deutschland und der Schweiz hat sich Frankreich auf Position vier geschoben und Russland an die fünfte Stelle der Länderstatistik.“ Im Pressebüro waren 73 Journalisten aus 17 Ländern weltweit akkreditiert. 400 Jugendliche aus Salzburger Schulen besuchten die Generalprobe der Oper „La Cenerentola“.
„Cecilia Bartoli ist das Kraftzentrum, die Seele und das Gesicht unserer Salzburger Pfingstfestspiele, die ein künstlerischer wie auch ökonomischer Erfolg sind“, sagt Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler, die in einem ORF-Interview heute Dienstag (10.6.) betonte, dass man zu den Pfingstfestspielen das Programm keineswegs herunterfahre wie jenes der Sommerfestspiele: „Pfingsten finanziert sich selbst.“
Nächstes Jahr setzt man nicht auf einen Belcanto-Gott, sondern gleich auf den Parnass als Ganzes: „So ruf ich alle Götter“ ist Motto der Pfingstfestspiele, von 22. bis 25. Mai 2015. Glucks „Iphigénie en Tauride“ ist die szenische Produktion, Moshe Leiser und Patrice Courier sind als Regieteam verpflichtet. Die beiden pflanzen gerne Opern-Geschichten in aktuelle politische Szenarien. Helga Rabl-Stadler hat bei der Programmpräsentation davon berichtet, dass sie nachgeschlagen habe, wo eigentlich die Taurer lebten: Es sei die heutige Krim. Wenn also Leiser und Caurier googeln und das Lexikonwissen bestätigt finden, kann man sich auf aktuelle Bezüge gefasst machen. Reiner Originalklang gewiss im Orchestergraben: Diego Fasolis dirigiert „I Baricchisti“.
Als Lesung gibt es Goethes „Iphigenie auf Tauris“ – hoffentlich gekürzt, denn es ist eine Matinee. Andrea Wenzl, Michael Rotschopf, Sven-Eric Bechtolf und Jürgen Tarrach stehen im Programmheft.
Konzertant gibt es „Semele“ von Händel, auch wieder mit der Bartoli in der Titelrolle und mit „I Barocchisti“ unter Diego Fasolis. Aus Monteverdis „Ulisse“ und „Orfeo“ sowie einer Antiken-Auswahl an Schubert-Liedern machen Vater Christoph und Sohn Julian Prégardien (beide Tenöre) gemeinsam mit Jos van Immerseel und Musikern von Anima Eterna Brugge einen gewiss anregenden Musikverschnitt. Der Countertenor Philippe Jaroussky lässt sich für ein Pasticcio aus Händel-Arien von Nathalie Stutzmann und „Orfeo55“ begleiten. Der Lautenist und Gitarrist Rolf Lislevand bereitet ein Programm „La lira d’Orfeo“ vor. Über einen Mangel an Originalklang wird man also auch nächste Pfingsten nicht jammer können.
Fein, dass das Mozarteumorchester wieder mit von der Partie ist – es begleitet ein Gastspiel des Hamburg Ballett mit John Neumeiers legendärer „Sommernachtstraum“-Choreographie. Da hört man nicht nur Mendelssohn, sondern auch Ligeti und allerlei Maschinenmusik. Auch die Camerata Salzburg unter Louis Langrée sowie der Bachchor sind repräsentativ dabei: in einem Festkonzert mit Anna Netrebko, Cecilia Bartoli, Juan Diego Flórez und Christopher Maltmann. Da sollten die Tickets augenblicklich weg sein.
Einen „Sommernachtstraum“ wird das Marionettentheater wieder aufnehmen, und im „Kino“ wird mal allerlei Griechen-Göttliches zu sehen bekommen. Dort auch Max Reinhardts „A Midsummer Night’s Dream“, seinen einzigen Hollywood-Film aus dem Jahr 1935. (PSF/dpk-krie)