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Koloraturen mit Glanz und Leben

PFINGSTFESTSPIELE / FAGIOLI / I BAROCCISTI

08/06/14 An keinem italienischen Hotspot der kultischen Sängerverehrung können Begeisterung und Jubel je größer gewesen sein, als nach dem fulminanten Auftritt des Countertenors Franco Fagioli mit Bravourarien von Rossini und Meyerbeer in Salzburg.

Von Heidemarie Klabacher

Begleitet, angespornt, auf Händen und Flügeln des Gesanges getragen wurde der argentinische Stimmvirtuose vom Dirigenten Diego Fasolis und dessen Originalklang-Ensemble I Baroccisti. Wobei „Originalklang-Ensemble“ in diesem Fall eine einschränkende Kategorisierung bedeutet für einen Klangkörper, dessen Ausdruckskraft und Virtuosität – die Künstler im Einzelnen und im Ganzen betrachtet – keine Grenzen zu kennen scheinen. Keine Grenzen etwa in dem, was man gemeinhin „pianissimo“ nennt.

I Baroccisti lassen den Klang nicht Verklingen oder Ersterben, sie scheinen ihn bei voller Intensität quasi in eine andere Sphäre zu heben. Tatsächlich hatte man bei vielen Wendungen „hinüber“ in dieses pianissimo das Gefühl, dass sich weniger die Lautstärke als die Klangfarbe ändert. Was gerade noch ein Ton aus dem Hier und Jetzt war, fächert sich auf in ein Spektrum von Farben, die längst nicht alle von dieser Welt sind. Die Holzbläser von Il Baroccisti haben mehr als einmal den Atem anhalten lassen mit ihrem traumsicheren Wandeln zwischen den Welten.

Der Klarinettist Corrado Giuffredi, der auch in den Ouvertüren und Arien als primus inter pares immer wieder hat aufhorchen und staunen lassen, bescherte mit den Variationen für Klarinette und Orchester C-Dur aus 1809 von Gioachino Rossini – viele exquisite Beispiele für dieses atemberaubende pianissimo.

Ebenso aufregend geht es am anderen Ende der Ausdrucksskala zu: Hier dominiert eine übermütige oft geradezu bocksbeinige Spielfreude, etwa in den militärischen Passagen etwa von Rossinis Oper „Il turco in Italia“ oder in den „Jahrmarktsmusiken“ etwa in der Ouvertüre zur Oper „L’italiana in Algeri“. Mit Witz und Ironie und präzise ausgezierten musikalischen Schnörkseln, die immer eine andere als die erwartete Wendung, bringt Diego Fasolis die Delikatesse der Musik Rossinis zu überwältigender Wirkung - eine musikalische Hochschaubahn.

Über alle dem zündet nun der Countertenor Franco Fagioli sein Koloraturen-Feuerwerk. Über alle dem lässt er seine auf schier unendlich langem Atem aufblühenden Linien strömen. Bruchlos über drei Oktaven. In den tiefen Lagen sind seine Töne klar konturiert, in den hohen Lagen sanft schmelzend gerundet. Diese Stimme ist fürwahr ein Jahrhundertgeschenk. Franco Fagioli bedient sich ihrer mit einer Leichtigkeit und Wendigkeit, die staunen macht. Selbst die haarstäubendsten Koloraturen und Sprünge sind bei ihm nicht nur technisch perfekt bewältigtes, glitzerndes aber sinnfreies „Virtuosentum“. Jede Phrase ist musikalisch gestalteter Ausdruck menschlicher Emotion.

Die überwältigenden Beispiele - Szenen Rezitative und Arien – stamme aus den Opern „Il crociato in Egitto“ von Giacomo Meyerbeer sowie „Aureliano in Palmira“ und „Semiramide“ von Giochino Rossini“.

Die erste Zugabe war eine weitere Zündstufe des stimmlichen Sternenfluges aus „La donna del Lago“. Die zweite Zugabe war eine Überraschung für alle, eine charmante Verbeugung vor Mozart: Franco Fagioli hat Cherubinos Arie „Non so più cosa son, cosa faccio“ am Ende des Konzerts mit bewusst übertriebenem Spielwitz „halbszenisch“ präsentiert und zugleich der sonst immer von Frauen gestalteten Figur eine packende Glaubwürdigkeit verliehen. Damit hat sich ein neuer Wunsch aufgetan: Franco Fagioli bald einmal als Sesto in „La clemenza di Tito“ in Salzburg zu erleben. Im November singt er den Idamante in Covent Garden. Wann geht das nächste Schiff nach Avalon?

Bilder: Salzburger Festspiele / Silvia Lelli; www.franco-fagioli.info

 

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