Und täglich grüßt das Murmeltier
PFINGSTFESTSPIELE / BAROCKKONZERT / BARTOLI
27/05/12 … oder gefangen in der Zeitschleife: Wie in dem Film mit Bill Murray gab es auch im Konzert „Cleopatra virtuosa“ mit Cecilia Bartoli kein Erwachen. Man starb gemeinsam mit Kleopatra gefühlte tausend Tode.
Von Heidemarie Klabacher
Cecilia pur stand am Samstag (26.5.) auf der Bühne des Großen Saals. Auf den Pulten von Il Giardino Armonico und Giovanni Antonini lagen Szenen aus Kleopatra-Opern von Antonio Sartorio, Daniele de Castrovillari, Händel, Hasse und Graun.
Mit Opern über die sagenumwobene Königin von Ägypten und ihre prominenten römischen Liebhaber hat man in der Barockzeit gerne neue Opernhäuser eingeweiht: das Comödienhaus in Innsbruck 1654 mit einer Cesti-Variante; das Hagenmarkt Theater in Braunschweig 1690 mit einer von Kusser; das Opernhaus unter den Linden 1742 mit Cesare e Cleopatra von Graun; sogar die neue Met in New York wurde 1966 mit einer Kleopatra-Variante eröffnet, mit der von Samuel Barber.
Es gibt wenig gesicherte Fakten über die historische Kleopatra – umso mehr hat sie die Phantasie (nicht nur) von Komponisten beflügelt: Einmal steht mehr die Politikerin im Fokus, die Monarchin, die lieber stirbt, als auf Thron und Macht verzichtet; dann wieder mehr die Liebende oder die Verführerin; einmal trauert sie mehr um Marc Anton, ein andermal mehr um Julius Caesar.
Auf der Bühne im Großen Saal war es freilich immer „La Bartoli“. „Cecilia fulminanta“. Falls man das so sagen darf. Sie rollt die Augen, klimpert mit den Wimpern im Tempo der Koloraturen, schäkert mit dem Publikum oder blickt staatstragend tragisch. Warum denn nur das Theater?
Auch wenn manches Forte da und dort ein wenig schrill und mit zuviel Vibrato daherkommt, lässt Cecilia Bartoli mit ihrer stupenden Technik, die keinen Grenzen des Machbaren zu kennen scheint, einfach staunen. Wenn sie eine ohnehin schon hoch liegende Melodie, oder auch nur eine kleine Phrase, im Pianissimo mit immer noch kleingliedrigeren Verzierungen immer noch leiser werdend verklingen lässt, und dann das Ganze (immer noch auf demselben Atemzug?) wieder herunter auf die Erde holt – dann bleibt wohl dem Zuhörer der Atem weg, nicht aber der Ausnahmesängerin. Vielleicht holt sie Atem, vielleicht auch nicht. Jedenfalls ist sie schon bei der nächsten Emotion. Sei es der Triumph angesichts eines Schiffe zerberstenden Seesturms oder sei es die Seeligkeit angesichts der Augen des Geliebten…
Diese stupenden Gesangsleistungen werden durch die Kasperliaden der Künstlerin zwar nicht geschmälert, wohl aber gehörig gestört. Tatsächlich so gestört, dass die Variation des inhaltlich immer Gleichen auf zweieinhalb Stunden bei aller Brillanz deutliche Längen bekam - und der besagte Murmeltier-Effekt sich einstellen wollte.
Giovanni Antonini und Il Giardino Armonico haben das Getöse mit feinsten Nuancen der Phrasierung und der Lautstärke wie mit dem Pinsel untermalt. Ein barocker Festschmaus war das. Die Gerichte modern an Kalorien reduziert – und gerade deswegen von intensivstem Aroma und langem blumigen Abgang. Il Giardino Armonico scheinen sich ihrer klassischen Phase zu nähern. Es klingt nicht mehr alles nach Schlachtfeld (das haben wir an den italienischen Rautönern ja auch immer geliebt). Aber vorwärts drängende Dynamik und geballte Energie materialisieren sich heute auf feinster Politur mit Blitz und Gefunkel.
Die ruhigen Arien – egal ob von Castrovillari, Händel oder Graun – geht auch Cecilia Bartoli „darstellerisch“ ruhiger an. Und so trübt nichts die Erinnerung etwa an die überirdisch schön gesungene - von der Künstlerin gleichsam an die Schwelle zur Ewigkeit geführte - Phrase „si trova sol in me“ in der Arie „Ah, diriti non poss’io“ aus der Oper „Cesare e Cleopatra“ von Carl Heinrich Graun.
Die stimmliche Kondition der Bartoli lässt staunen: Vorgestern Freitag Premiere von Händels „Giulio Caesare“ und damit fünf Stunden Barockoper, gestern Samstag (26.5.) also ausgewachsenes Barockkonzert mit eigenem Zugabenblock (der Jubel war unbeschreiblich im Großen Saal), heute Sonntag wieder fünf Stunden „Giulio Caesare“. Die Intendantin schenkt sich nichts, aber alles ihrem Publikum.