Heute spielen wir Ägypten
RESIDENZGALERIE / FASZINATION ÄGYPTEN / NORBERT BITTNER
03/05/12 Einen wunderschönen Exerzierplatz haben sie sich ausgesucht, die Soldaten Napoleons: In kleinen Grüppchen marschieren sie an den Sehenswürdigkeiten des alten Ägypten vorbei, an Säulen, die bis knapp unter die Kapitelle im Sand stecken, und an stattlichen Tempelfassaden.
Von Reinhard Kriechbaum
Nicht als Besatzer scheinen die Soldaten da zu sein, sondern als neugierige Touristen. Der historische Hintergrund: Von 1798 bis 1801 dauerte die Ägypten-Expedition Napoleons. Militärisch war es ein Flop (Napoleon wollte den Briten fernhandels-technisch einen Strich durch die Rechnung machen), aber in punkto Wissenschaft bedeutete Napoleons Ägypten-Abenteuer eine kleine Revolution. Die 167 „Savants“ (Wissenschafter), die mit der stolzen Armee von 35.000 Soldaten mit unterwegs waren, erweiterten das altertums-kundliche Weltbild ganz entscheidend. Die „Description de l’Égypte“, ein vom nachmaligen ersten Louvre-Direktor Dominique Denon herausgegebenes gewaltiges Mappenwerk, zirkulierte in Europa. Auch ein Erzabt von St.Peter erwarb eine der Ausgaben. Er ließ dafür sogar einen kunstvoll intarsierten Bibliotheksschrank in Form einer ägyptischen Tempelfassade tischlern.
Das ist ein Salzburg-Bezug in der neuen Ausstellung in der Residenzgalerie, die aber einen Biedermeierkünstler aus Wien vorstellt: Norbert Bittner (1786-1851), Architekt, Zeichenlehrer und Theaterdekorateur, nahm die Denon-Stiche zum Vorbild für eine Aquarellserie, die zu einem guten Teil im Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste erhalten ist. Bittner ist auf eine damals eben losschwappende Modewelle, die Ägyptomanie, aufgesprungen.
Die Graphik-Vorlagen hat er erfindungsreich abgewandelt: Zum Beispiel konnte er, der ja nie selbst am Nil war, sich so gar nicht vorstellen, dass die Gegend eher flach und vor allem sandig ist. So tauchen Hügel wie in der Wachau auf. Auch mit der Botanik hielt Bittner es so genau nicht, manches Gewächs würde eher in den Tropen wachsen. Über die Trockenheit in Ägypten hat der Künstler wohl überhaupt nicht nachgedacht, denn über seinem Ägypten wölbt sich ein pastellig-wolkiger Biedermeierhimmel.
Und erst die Menschen! Auf einer imaginären Theben-Vedute trägt ein napoleonischer Soldat eine Hose, die er vielleicht einem Souvenirverkäufer abgehandelt hat. Und der seinerseits scheint Gastarbeiter aus der Türkei gewesen zu sein. So manches Gewand, manche Pluderhose der „eingeborenen“ Ägypter und Nubier auf Bittners Bildern würde man eher in der Türkei verorten.
Aber das läuft unter „künstlerische Freiheit“ und tut der pittoresken Wirkung der Aquarelle keinen Abbruch. Ein deutscher Kollege von Bittner, der Kölner Archäologe Franz Christian Gau, hat sich selbst unter erheblichen Strapazen aufgemacht ins Land am Nil und hat dort authentische Bildwerke geschaffen. Diese halten freilich an Originalität mit jenen von der Gedanken-Reise des Norbert Bittner nicht entfernt mit.
Norbert Bittner war auch Theater-Dekorateur, und manche Säulenhalle in Tempeln hat ihn angeregt, bühnenbildartige Metamorphosen zu schaffen: Heute spielen wir Ägypten! Überhaupt hat er gerne geflunkert und nachgebessert. Weit im Hintergrund der beiden Memnon-Kolosse sieht man die Pyramiden. Freie Sicht von Theben bis Kairo, über geschätzte 400 km Luftlinie? Nein, das klappt nicht…
Fein, dass die Ausstellung jetzt läuft, denn zu Pfingsten ist ja Kleopatra das Thema. Mal schauen, ob Cecilia Bartolis musikalisches Ägypten-Bild auch so fantasie- und stimmungsvoll ausfällt.