Für Susanna, Rosina, Inez und Co.
BILDREPORTAGE / I DUE FIGARO / PFINGSTFESTSPIELE
27/05/11 Regietheater zu Pfingsten? Das ist auch heuer nicht zu fürchten. Ein italienisch-spanischer Patio mit gedeckter Tafel (das Tischtuch wurde gerade zu Probenbeginn aufgelegt), mit Säulen und Strohsesseln verspricht Gemütlichkeit. Saverio Mercadante (1795-1870) spinnt in seiner Oper "I due Figaro" die Geschichte zwölf Jahre nach Figaros Hochzeit weiter. - Premiere im Haus für Mozart ist am 10. Juni. Die Pfingstfestspiele haben heute Freitag (27.5.) zu einer Erstbegegnung in einer offenen Probe geladen.
Von Heidemarie Klabacher
Eine Elektra oder eine Kassandra kommt nicht vor im Stück. Auch wenn Annalisa Stroppa, die Darstellerin des „Cherubino, unter dem Namen Figaro“ in Jean und T-Shirt selbst in der totalen Unruhe einer Fotoprobe mit Präsenz einer Tragödin die Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Größte Aufregung scheint unter den Damen zu herrschen - ein junges hoch ambitioniertes Ensemble die Premierengäste zu erwarten. Energie und Gestaltungslust waren zu spüren, viel versprechende junge Stimmen hören: Regisseur Emilio Sagi und das Ensemble von „I due Figaro“ haben sich heute Freitag (27.5.) ganz einfach ein Stündchen beim Proben zuschauen lassen.
Regisseur Emilio Sagi leitet Susanna zu noch flinkerem Fächer-Fächeln an, und Inez - die Tochter von Graf und Gräfin (eine solche gibt es inzwischen) - zu noch stärkerer Emotion. Der Graf tritt im grün-goldenen Schlafmantel auf, die Frauen tragen Schwarz unter transparenten Röcken...
Aus der Geschichte rund um „I due Figaro“ wird man so schnell nicht schlau. Ein Diener des Grafen scheint jedenfalls als Hochstapler sich die gräfliche Tochter, und Figaro, als Helfershelfer der Intrige, sich die Hälfte der Mitgift erschleichen zu wollen. Logisch dass Inez längst einen anderen liebt und alles nicht so einfach ist.
„Die Handlung von I due Figaro spielt zwölf Jahre nach Figaros Hochzeit. Die Beziehung zwischen Figaro und Susanna ist zur Routine geworden, selbst wenn Susanna Figaro viel mehr liebt als er sie. Die Gräfin und der Graf erhalten ihre Ehe mit großen Schwierigkeiten aufrecht, der Graf fragt sich sogar, ob er seine Frau noch liebt“, erzählt Regisseur Emilio Sagi den Plot.
„In Mercadantes Oper haben die beiden eine jugendliche Tochter, Inez, die sich mit einem jungen Mann vermählen will, der nicht adlig ist – genauso wie ihr Vater damals mit der bürgerlichen Rosina.“
Das Stück schlage sich ganz auf auf die Seite der Frauen, meint Sagi: „Da ihnen ihre Intelligenz die ganze Geschichte hindurch stur abgesprochen wurde, mussten die Frauen eine parallele Intelligenz entwickeln, die weitaus wirksamer und flinker war als der träge Geist der Männer. Die Frauen in I due Figaro wissen, wie man sich im Sturm über Wasser hält: Sowohl die Gräfin (die volksnah und gleichzeitig eine zynische Aristokratin ist), als auch Susanna landen trotz der männlichen Hindernisse sicher im Hafen. Ihren Bolero zu Beginn der Oper singt Susanna im Bewusstsein ihrer Überlegenheit in einem feindseligen und machistischen Ambiente.“
„In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Gelegenheiten, jene musikalische Welt zu entdecken, die Mozart bei seinen Neapel-Besuchen antraf“, resümiert Riccardo Muti (der die Leitung der offenen Klavierprobe in Hände einer Assistentin gelegt hat), seine Idee, im Rahmen der Salzburger Pfingstfestspiele aufzuzeigen, dass Neapel und Wien im 18. Jahrhundert die dominierenden Musikhauptstädte Europas waren. „Unbestritten, Mozart ist einzigartig.“
Muti erinnert an den Satz von Rossini, der, auf Mozart angesprochen, gesagt hat: „Er war die Begeisterung meiner Jugend, die Verzweiflung meiner mittleren Jahre und der Trost meines Alters.“
Die fünften und letzten Pfingstfestspiele Neapolitanischer Provenienz bringen nun jedenfalls die Begegnung mit Saverio Mercadante und seinen beiden Figaros. „Mercadante bildet die Brücke zwischen der klassischen Neapolitanischen Schule zur neuen Welt von Bellini, Donizetti und dem frühen Verdi“, sagt Muti über Mercadante, der vor alle ernste Opern komponiert hat.
„Er besaß aber durchaus auch komische Qualitäten, wie sein zweiaktiges Melodramma buffo I due Figaro beweist“, so Muti: „Eine brillante Musik, sehr melodiös, voll Humor.“ Die Partitur liegt in einer Bibliothek in Madrid, wo Mercadante bis 1831 als Musikdirektor der königlichen Opernhäuser wirkte. „I due Figaro“ entstand 1826, wurde wegen der Zensur aber erst 1835 uraufgeführt.
„Mercadante hatte großen Erfolg an der Scala, wurde in Wien populär, ging nach Spanien und später auf Einladung Rossinis nach Paris – und wirkte schließlich als Direktor des Konservatoriums in Neapel. In seinen ernsten Werken kann man hier und da bereits Verdi fühlen – das ist die Tür zu einer neuen Welt“, so Muti. Das Libretto ist von Felice Romani, der immer wieder auf Lorenzo Da Pontes und Mozarts Le nozze di Figaro anspielt. „I Due Figaro“ ist sogar zweimal komponiert worden, das Libretto wurde ursprünglich für Michele Carafas geschrieben. Dessen „I due Figaro o sia Il soggetto di una commedia kam bereits 1820 in Mailand heraus.