„La Bartoli“ und Amici
PFINGSTFESTSPIELE / L'ANIMA DEL FILOSOFO
29/05/23 Eine konzertante Aufführung von Joseph Haydns letzter Oper: L'anima del filosofo ossia Orfeo ed Euridice. Wie schade, dass diese Orfeus-Variante von 1791 ein Fragment geblieben ist. Haydn hatte viel Eigenes zum Thema zu sagen und die bewährte „Opernkompagnie“ der Cecilia Bartoli ließ die Geister der Philosophie, der Liebe und des Todes anschaulich erstehen.
Von Gottfried Franz Kasparek
Cecilia Bartoli hat ihre Lieben um sich geschart. „Les Musiciens du Prince-Monaco“ sind auch um Haydns instrumentalen Geist und Witz nicht verlegen, mag er auch mitunter ein wenig grob ausfallen. Aber wir wissen ohnehin nicht genau, wie das wirklich anno 1791 in London geklungen hätte.
Das Hammerklavier war damals wohl in den Orchesternummern genauso unhörbar wie heutzutage. Die Natur-Trompeten machten und machen ihrer Einteilung als deftige Blechinstrumente alle Ehre. Der auch in diesem Stück geforderte Chor, bestehend aus „Il Canto di Orfeo“ und Mitgliedern des hiesigen Bachchors, tönt mit stets präsenter Energie.
Gianluca Capuano ist ein echter „Maestro di Cappella“, der nicht nur mit effektvoller Schlagtechnik agiert, sondern auch mit den singenden Menschen auf der Bühne atmen kann und, wenn notwendig, feinsten Gefühlsgespinsten Raum gibt. Und wie das gesungen wird! „La Bartoli“ macht die im ersten Teil dominierende Eurydike zum emotionalen Zentrum. Schöner und anrührender sind seit „La Callas“ (die hat das in der Tat 1951 in Florenz gesungen – das war die Uraufführung unter Erich Kleiber!) nur wenige Kolleginnen gestorben. Da stört es auch nicht, wenn manche Töne schon eher veristisch klingen.Ihr Orfeo ist Rolando Villazón, der vielleicht doch noch einen zweiten Tenorfrühling erlebt.
Das bronzene Timbre wirkt so sicher wie schon lange nicht, das Volumen ist beachtlich, die Höhe glänzt plötzlich kraftvoll a la Domingo in den besten Jahren. Womöglich ist da mancher Ton ein bisschen transponiert, aber dafür gibt es größte Vorbilder. Wir wollen also nicht an den konkurrenzlosen Stilisten Nicolai Gedda (Edinburgh 1967, mit Joan Sutherland) denken und wünschen dem auch konzertant natürlich körperlich heftig agierenden, tenoralen Sorgenkind Villazón alles Gute für seine vokale Zukunft
Eurydike hat hier einen Vater namens Creonte, der bei Thomas Hampson in gereifter Baritonwürde und soignierter Erscheinung bestens aufgehoben ist. Dazu kommt ein weiblicher Genius und Führer in die Hölle: Mélissa Petit, erfreulich in Stimme und Spiel wie immer, meistert die schwierigste Koloraturarie des Stücks perfekt und launig.
Höllenfürst Pluto und ein Bote sowie ein weiterer Überbringer schlechter Nachrichten sind mit dem profunden Bariton Pier Marco Viňas Mazzoleni und dem Tenor Massimo Lombardi aus dem Chor, doch durchaus gleichwertig besetzt. Wenn die Erinnerung nicht täuscht, hat unsereinen Haydns dramatischer Furor trotz der gegenüber Glucks Reformoper altmodischen Seria-Form mit ihren mitunter ermüdenden Da capo-Arien 1995 in Wien noch mehr gepackt. Da stand freilich Nikolaus Harnoncourt am Pult. Die Bartoli war damals eine jugendfrische Euridyce und gleich auch noch der Genius dazu. Haydns Orfeo stirbt melancholisch am Gift rasender Bacchantinnen. Geplant war wohl ein fünfter, Monteverdis Lösung folgender Akt, in dem der mythische Sänger von Apoll in den Parnass geholt werden sollte. Die qualitätsvolle Wiederbegegnung mit dem Werk war den Nachmittag jedenfalls wert. Das Publikum war zufrieden und feierte seine Lieblinge.