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„Ach, ich habe sie verloren...“

PFINGSTFESTSPIELE / ORFEO ED EURIDICE 

27/05/23 Die Premiere von Glucks Orfeo ed Euridic am Freitag (26.5.) im Haus für Mozart wurde allgemein bejubelt und endete mit der Ernennung Cecilia Bartolis zur Kammersängerin. Das hat sie sich in ihrer elften Saison als Leiterin der Pfingstfestspiele redlich verdient, hat sie doch in all den Jahren auch eine ganze Reihe von Rollen in unnachahmlicher und unvergesslicher Weise gesungen und gespielt.

Von Gottfried Franz Kasparek

Diesmal also ist es der mythische Sänger Orpheus, den Christoph Gluck (er selber hat seinen zweiten Vornamen Willibald nie verwendet) anno 1769 in Parma anläßlich einer herzoglichen Hochzeit für einen Sopran-Kastraten transponiert hat. Die mythische Sänger gewinnt in Gestalt der Bartoli glaubwürdiges Leben. Mag sein, dass die verehrungswürdige und völlig uneitle, als Bühnenfigur wie ein ernster junger Mann und Künstler wirkende Primadonna stimmlich mitunter schon an gewisse Grenzen stößt. Aber sie vermag nach wie vor mit intensiver Ausdruckskunst zu berühren.

Wenn sie an der unmöglichen Aufgabe, die Geliebte ins Leben zurück zu geleiten, ohne Liebe zu zeigen, scheitert, bekommt man die Gänsehaut. Dies liegt auch an der klugen Regie von Christof Loy, der auch für die Choreografie gesorgt hat, denn dieses Stück ist ja in allen seinen Versionen eine Ballettoper. Die selten gespielte, stark verkürzte „Parma-Fassung“ wird durch etliche, vor allem Tanz-Einlagen aus der Wiener und der Pariser Fassung auf abendfüllende eineinhalb Stunden verlängert.

Das seit eh und je umstrittene   „lieto fine“ mit Amor als Deus ex machina wurde gestrichen. Das erfreulich dtimmige Ergebnis kann man als „Mischversion“ zu bezeichnen. Und so wird diese „Azione teatrale“ auch meist aufgeführt. Johannes Leiacker hat dafür ein klassizistisches Treppenhaus mit Holzvertäfelung und weißer Rückwand samt sich öffnendem Tor geschaffen, das sehr von der Ästhetik Adolphe Appias inspiriert ist. Ursula Renzenbrinks moderne Kostüme beschränken sich auf Schwarz-Weiß -Kontraste – mit einer effektvollen Ausnahme, denn die seligen weiblichen Schatten sind duftige Verkörperungen von strahlendem Rot, Himmelblau, lichtem Grün und Zitronengelb. Olaf Winter zaubert dazu perfektes, atmosphärisches Lichtdesign.

Christof Loy ist ein Meister mystischer Auftrittszeremonien und sensibler Personenführung. Er  kommt dabei, was die drei Figuren und den meist zuunterst auf der in den Orchesterraum reichenden Treppe postierten, wohlklingenden Chor betrifft, ohne modische Veitstänze aus. Die brillante Tanztruppe macht Bewegung genug und befolgt dabei eher die Stilistik des „Modern Dance“, welche in dieser ritualisierten, oft sehr abgewinkelten Form gut zur Welt der Antike im Sinne Winckelmanns passt.

Die Antike war freilich in ihrer Realität viel bunter, wie Maestro Gianluca Capuano im Programmheft-Interview richtig festhält. Er bemüht sich mit seinem Orchester „Les Musiciens du Prince – Monaco“ sehr um eine schillernde Auffächerung der Partitur, was dank exzellenter Leute im Graben gut gelingt. Es herrscht kein trockener, sondern ein belebter Originalklang mit wundersamen Episoden des Zusammenspiels von Pizzicati, Harfe und Hammerklavier sowie meist ungetrübten, feinen Bläsersoli. Wenn die sozusagen aus Paris importierten Furien tanzen, kann es auch ordentlich krachen.

Mélissa Petit ist mit hellem, lyrischem Edel-Sopran in der großen Duoszene mit Orfeo als eigenständige mädchenhafte Persönlichkeit eine starke Euridice. Amore, dessen Auftritt in den ersten Akt verlegt wurde, ist kein knabenhafter Liebesgott, sondern eine attraktive junge Dame ganz in Schwarz, mit frischem Sopran gesungen von Madison Nonoa aus Neuseeland.

Der absolute Höhepunkt des in stiller Trauer endenden Abends ist Orfeos Wunschkonzert-Nummer Che farò senza Euridice. Denn die Diva und ihr Dirigent machen sich einen eigenen Reim aus den in den verschiedenen Versionen widersprüchlichen Tempoangaben zwischen „Larghetto“ und „Vivace con disparazione“ (!) und einen packenden dramatischen Monolog daraus. Wer sich zu Beginn der Arie ein wenig ärgert über die allzu eilig genommene Schlager-Melodie, wird nicht nur mit einem wahren Psychogramm des Liebesleids, sondern am Ende doch noch mit getragener Trauer belohnt. Wie es in der alten deutschen Übersetzung heißt: „Ach, ich habe sie verloren, Eurydike, all mein Glück...“

Bilder: SF / Monika Rittershaus
www.salzburgerfestspiele.at

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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