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Cecilia in der Unterwelt

HINTERGRUND / PFINGSTFESTSPIELE / ORFEO

10/05/23 Warum pflückt Eva den Apfel? Öffnet Judith das verbotene Zimmer? Fragt Elsa nach dem Namen? Dramatisch sind die Folgen. Schuld (fast) immer die Frauen. Aber warum sich Orpheus umdreht, weiß auch keiner. Zum Glück. Sonst wären die alten Geschichten längst vergessen. So er-füllen sie bis heute Bücher und Herzen. Und Festivals.

Von Heidemarie Klabacher

War Orpheus ein eitler Selbstdarsteller? Wahrscheinlich schon. Dass er sich absichtlich umgedreht haben sollte, umd Euridike loszuwerden ist weniger wahrscheinlich. Er hätte ja den ganzen Gattinnen-Rettungs-Zirkus in der Unterwelt nicht anzetteln müssen... Nie wird man Genaueres über die wahre Motivation für die oft unbegreiflichen Handlungen von Märchen-, Sagen- oder Mythos-Figuren erfahren. Und genau deswegen füllen diese Geschichten – und deren Variationen in allen Jahrhunderten – nicht nur Bücher, sondern ganze Festivalprogramme: Seit zwei Wochen laufen in Salzburg die Proben zu Christoph Willibald Glucks Orfeo ed Euridice bei den Pfingstfestspielen, die ganz im Zeichen des Orfeus-Mythos stehen. Regie bei Gluck führt Christof Loy, Dirigent ist Gianluca Capuano.

Tanz spiele eine wichtige Rolle im Konzept seiner zweiten gemeinsamen Arbeit mit Cecilia Bartoli, erzählt Christof Loy. Der Tanz spiele überhaupt eine immer größere Rolle in seiner Arbeit. Er beginne mit dem Tanzensemble zu improvisieren, beschreibe dabei „psychologische Reisen“ und arbeite „bei Bedarf“ mit einem Assistenten als Ballettmeister zusammen. Die Tänzerinnen und Tänzer, die Loy mit nach Salzburg gebracht hat, kenne er schon seit vielen Jahren. „Eigentlich wäre es an der Zeit, diese Kompanie offiziell zu gründen.“

Tanz ist nicht nur für Loy ein wesentliches Element: „Gluck selbst hat mit seiner Reformierung eine neu entwickelte Gattung geschaffen. Für ihn war es wichtig, Ausdrucksmöglichkeiten weiterzuentwickeln.“ So kommen die Gefühle von Orfeo, auch wenn er einmal nicht singt, eben im Tanz und damit nonverbal zum Ausdruck. Teile der „Pariser Fassung“ wie den Tanz der Furien wurden, „ganz bewusst im Geist Glucks“ hinzugefügt. „Der Effekt der Reformen war eine einheitliche Kunstform, die so auch von Richard Wagner aufgegriffen wurde.“

Glucks Orfeo gibt es in mehreren Fassungen. Zu Pfingsten kommt die „Parma-Fassung“ in sieben Szenen auf die Bühne. Entstanden sei diese sieben Jahre nach der Uraufführung. Der wesentliche Unterschied zur dreiaktigen Wiener Fassung liege in der Mezzo-Lage des Orfeo, „die für Cecilia Bartoli prädestiniert“ sei. „Für sie passt neben der Stimmlage auch der anderweitige musikalische Umgang mit Tonarten und Verzierungen am besten.“

Insgesamt werde die Figur „perfekt auf Cecilia Bartoli zugeschnitten“, bestätigt Regisseur Christof Loy. „Die Konzentration auf die Orfeo-Figur ist der zentrale Punkt der Aufführung – alles geschieht aus seiner Perspektive“. Orfeos ganze Reise in die Unterwelt und seine Begegnung mit Euridice seien von Gluck so konzipiert, „dass sein eigenes künstlerisches Empfinden im Vordergrund stehe“.

Zur Szene des Aufeinandertreffens von Orfeo und Euridice, in der sie ihm bittere Vorwürfe macht, sagt Loy: „Das ist die geniale Überraschung an dem Stück: Nachdem wir uns zuvor über einen längeren Zeitraum mit der Egozentrik und der Ausnahmeerscheinung von Orpheus als Künstler auseinandergesetzt haben, wird er plötzlich mit einem menschlichen Wesen konfrontiert. Das ist der moderne Dialog eines Ehepaars, der auch aus einem Ingmar Bergman-Film stammen könnte.“

Eine Inspirationsquelle für das Bühnenbild von Johannes Leiacker war übrigens ein historisches Foto der Inszenierung von Margarete Wallmann, die das Stück 1931 bei den Salzburger Festspielen unter der musikalischen Leitung von Bruno Walter auf die Bühne brachte. „Diese Aufführung im Karl-Böhm-Saal mit seiner Holzvertäfelung hat uns beeinflusst.“

Gianluca Capuano wolle sich am Pult von Les Musiciens du Prince – Monaco auf Originalinstrumenten bewusst von der überkommenen Gluck-Auffassung monumentaler statischer Bilder und betont langsamer Musik entfernen: „Auf eine „tradierte Aufführungspraxis wie bei Haydn oder Mozart können wir hier allerdings nicht zurückgreifen. Gluck ist für mich pro-
romantisch und auf der Bühne sehr psychologisch.“

Salzburger Festspiele Pfingsten – 26. bis 29. Mai – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SF/Jan Friese

 

 

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