Flamenco vom Feinsten
PFINGSTFESTSPIELE / FLAMENCO-ABEND
07/06/22 Herbert von Karajan sprengte noch bei seiner letzten Carmen-Inszenierung mit dem Auftritt einer echten Flamenco-Truppe die Handlung in der Schenke von Lilla Pastia. Er wusste wahrscheinlich so wenig wie Georges Bizet, als dieser die berühmte Habanera des Kolorits wegen in seine Oper einbaute, dass es sich nicht um ein spanisches Volkslied handelt.
Von Horst Reischenböck
Die melancholische Melodie stimmte Sergio Menem auf dem Violoncello an. Allein dessen Mitwirkung, nebst David Moñiz‘ Geige, suggerierte, dass es sich nicht um eine Folklore-Gala handelte, wie sie Touristen in Sevilla serviert wird. Von ihrem ersten Auftritt an dominierte Maria Jesús Páges Madrigal in roter „bata de cola“ (so heißt das Flamcenco-Kleid), die sie später gegen ein blaue Robe tauschte. Alles wie im Film: Die Schleppe schlug sie mit dem linken Fuß typisch immer wieder herrisch nach hinten, ganz stolze Sevillanerin. Genauso wie die acht weiteren Tänzerinnen, die die Solistin zu Beginn umschlangen – eine Art Laokoon-Gruppe bildend. Aus dieser „Skulptur“ erwuchs das von Páges choreographierte anderthalb-stündige Ballett Oda a la flor del naranjo, also Ode an die Orangenblüte.
Perfekt synchron hämmerten die Absätze der Tänzerinnen die unterschiedlichen Flamencos in den Boden. Sie zeigten vor Spiegeln, wie man elegant in eine körperbetonte „traje de flamenca“, also das Andalusische Flamenco-Kleid, schlüpft und wechselten auch in strenge dunkle Kostüme.
Rubén Levaniegos und Isaac Muñoz begleiteten mit typischen Guitarras flamencas, den Rhythmus trommelte Chema Uriarte auf einer modifizierten Cajon, der aus Peru stammenden Holzkiste. Die Vokalistinnen Ana Ramón und Cristina Pedrosa ließen ihre charakteristischen Melismen mit den wohl aus Spaniens arabischer Vergangenheit stammenden Halb- und Vierteltönen akustisch verstärkt hören. Trotzdem blieb‘s vergebliche Liebesmüh, nur ein Wort, auch des von El Arbi El Harti zusätzlich verfassten Textes, verstehen zu wollen. Alle Ausführenden wurden langanhaltend begeistert und mit Standing ovations gefeiert.
Bilder: SF / Marco Borelli