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Die Bartoli ist der Teufel selbst

REPORTAGE / FESTSPIELE

18/05/21 Mit einem „Thank you“ unterbricht Robert Carsen den Dirigenten Gianluca Capuano, und das Klavierspiel aus dem Orchestergraben verstummt. In einem Mix aus Englisch und Italienisch erklärt der Regisseur den vier Sängern, welche Änderungen er sich in den Bewegungsabläufen wünscht und die Szene beginnt von vorn.

Von Anne Zeuner

„Das ist ein historischer Moment, dass wir wieder auf der Bühne stehen und auftreten können“, sagt Cecilia Bartoli, die Künstlerische Leiterin der Salzburger Festspiele Pfingsten. Bei einer Regie-Probe gaben die Festspielkünstler gestern Abend einen Einblick in die intensive Arbeit an Georg Friedrich Händels Oratorium Il trionfo del Tempo e del Disinganno, das am 21. Mai Premiere hat und den Auftakt der Pfingstfestspiele bildet.

Der Trionfo sei ein Meisterwerk von Händel, sagt Cecilia Bartoli, und es sei schon länger ihr Traum gewesen das Oratorium mit Robert Carsen in Szene zu setzen. Händel rechne auch zu seinen Lieblingskomponisten, ergänzt der Regisseur. „Besser hätten wir den Zeitgeist nicht treffen können als mit diesem Stück“, sagt er. Es gehe um Schönheit, um Zeit, um Vergnügen, aber es gehe auch um das Überdenken des eigenen Lebens, zu dem uns die Pandemie alle gezwungen habe. In seinem Konzept steht die allegorische Figur der Bellezza, gesungen von Mélissa Petit, exemplarisch für das junge Fräulein, mit dem sich jeder im Zuschauerraum identifizieren könne.

„Eine weibliche Jedermann-Figur“, fasst Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler zusammen, die das Gespräch moderiert. Auf ihrem Weg durch die Zeit werde Bellezza nicht nur von der Teufelsfigur des Piacere (Vergnügen) immer wieder verführt; Tiempo (die Zeit) und Disinganno (Enttäuschung) wollen ihr immer wieder helfen, doch am Ende müsse sie selbst in ihrem Inneren den richtigen Weg finden. „Das Leben ist ein seltsames Spiel. Ohne Regelbuch. Wir müssen alles selbst schreiben“, sagt Robert Carsen. „Und was wir dabei nicht wollen, ist Reue.“

Piacere, das Vergnügen, sei ursprünglich als männliche Rolle angelegt worden. Doch in dieser Inszenierung übernimmt Cecilia Bartoli die Rolle der Verführerin. „Sie ist die Teufelsfigur und der Teufel hat immer den meisten Spaß am Leben“, sagt der Regisseur. Immer wieder versuche sie die Bellezza mit einer Carpe-Diem-Mentalität zu beeinflussen. Lebe im jetzt und denke nicht an Konsequenzen, so ihr Credo. Drogen, Alkohol, Sex, Oper – all das lässt den Menschen die Zeit anders wahrnehmen. Aber dieser Zustand ist nicht von Dauer, wenn man es übertreibt. Piacere zeigt erst in ihrer letzten Arie ihr wahres Gesicht und gibt zu, nicht ehrlich und aufrichtig gewesen zu sein.

Gianluca Capuano dirigiert zum dritten Mal Händel in Salzburg (nach Ariodante 2017 und Alcina 2019). Er behandle das Oratorium musikalisch wie eine Oper. So habe er beispielsweise ein opulentes Continuo zur Verfügung. Es fasziniere ihn, wie der so junge Händel sich von verschiedenen Stilrichtungen inspirieren habe lassen, beispielweise von deutschen Stil. Oder auch, wie er die Charaktere ausformuliert habe. Für Festspieldebütantin Mélissa Petit ist ihre Partie eine große Herausforderung, verrät sie. Sie steht die gesamte Zeit auf der Bühne und hat nicht weniger als zehn Arien zu singen. Charles Workman, der die Rolle des Tempo übernimmt, ist schon lange und regelmäßig bei den Festspielen tätig. Er stand erstmals 1999 bei Jean-Philippe Rameaus Les Boréades auf der Bühne. Er ist vor allem begeistert endlich wieder vor Publikum singen zu können und die diese großartige Musik darzubieten. Das Publikum dürfe sich auch auf eine Vielfalt an Kostümen freuen, verrät Gideon Davey, der Bühne und Kostüme verantwortet. Sowohl auf der Bühne als auch in den eingespielten Filmsequenzen gebe es viel zu entdecken.

Aufführungen am 21. und 23 Mai im Haus für Mozart, im Sommer am 4., 8., 12., 14. und 17. August – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Salzburger Festspiele / Anne Zeuner (1); Swan Photographies (1); Decca-Ferdinando Scianna (1) Monika Rittershaus (1)

 

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