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Träumen gerne. Aber bei wachem Geist

FESTSPIELE PFINGSTEN / TALLIS SCHOLARS

10/06/19 Das ganze Arsenal zurücklassen. Nackte Einstimmigkeit. Das Notwendigste allein - der Dreiklang. Aus dieser scheinbar dürren Basis erblühen im Werk Arvo Pärts Klänge von überirdischem Reichtum. The Tallis Scholars machten diesen Reichtum in der Kollegienkirche einem staunend lauschenden Publikum zum Geschenk.

Von Heidemarie Klabacher

Es war der Ausreißer Richtung zeitgenössische Musik, das Kirchenkonzert am Sonntag (9.6.) bei den Salzburger Festspielen Pfingsten in der Kollegienkirche. Mit Arvo Pärt und Giacinto Scelsi waren freilich zwei Komponisten, zwei Klangmagier der Reduktion, aufgeboten, deren Facettenreichtum dem der Barock-Kollegen in nichts nachsteht.

Herzstück des Abends war Arvo Pärts Stabat Mater aus dem Jahr 1985 für Sopran, Countertenor oder Alt, Tenor, Violine, Viola und Violoncello: The Tallis Scholars ließen die große alte Klage Marias unter dem Kreuz ganz entgegen ihrer immer wieder auf's Neue absteigenden Motivik mit überwältigender vokaler Klarheit und Geradlinigkeit in den Kuppelraum aufsteigen. Frank Stadler Violine, Predrag Katanic Viola und Florian Simma Violoncello verstärkten subtil das dem Werk innewohnende Schweben und Pendeln (wie eben der am Kreuz hängende filius Mariae pendelt) – oder kontrapunktierten es mit den zwischen den Strophen immer
wieder überraschend markanten und bewegten Zwischenspielen.

Die Klarheit der Soprane, die profunde und doch so fein artikulierte Basis der tieferen und die in jeder Phrase hörbaren Linien der mittleren Stimmen überwältigten dann ebenso in zwei a capella Werken Pärts, drei Gesängen aus der orthodoxen Liturgie, Triodion für gemischten Chor a cappella, und den spannenderweise auf Deutsch vertonten Sieben Magnificat-Antiphonen.

Interpunktiert wurde dieses Sphärenklang-Konzert durch einen einzigen Countertenor, Alexander Chance, der von irgendwo oben Three Latin Prayers von Giacinto Scelsi hören ließ: Das sind ein Ave Maria, ein Pater Noster und ein Alleluja von archaischer Schlichtheit und Kraft, die ohne gregorianischen Choral hörbar zu zitieren, ebenfalls von scheinbar tausendjähriger Gesganspraxis zu erzählen wissen.

Gemeinsam ist ihnen allen – Pärt, Scelsi und deren anonymen Kollegen in den Klöstern des achten oder neunten Jahrhunderts – dass sie bei allen scheinbaren Einladungen zum „Abheben“ und „Wegträumen“ die Menschen tatsächlich, und wie im Gregorianischen Choral exemplarisch der Fall, zum genauesten Zuhören und Hören auf den Text einladen.

Bilder: dpk-klaba

 

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