Winterimpressionen im Wonnemonat
PFINGSTFESTSPIELE / STAATSKAPELLE BERLIN / BARENBOIM
22/05/18 Wenn zwei Orchesterkonzerte in einem Mini-Festival stattfinden, ist man schnell „Orchestra in residence“. Die Staatskapelle Berlin war heuer erstmals zu den Pfingstfestspielen eingeladen. Solist am Pfingstsonntag (20.5.) war Sir András Schiff.
Von Horst Reischenböck
Die Umrahmung stand, wie die Festspiele als Ganzes, im Fokus der Erinnerung an Gioacchino Rossinis 150. Todestag. Chefdirigent Daniel Barenboim, der die Staatskapelle in der Nachfolge des Österreichers Otmar Suitner auf internationale Spitzenposition trimmte, liegt Oper ohnedies hörbar am Herzen. Das bewies er gleich zu Beginn mit der Ouvertüre zu „Semiramide“. Ein Horse d'euvre der feinsten Art, in dem sich bereits hier das Hornquartett des Orchesters tonschön profilieren durfte. Duftig und dynamisch fein abschattiert, wie selten vor Ohren ausgebreitet und auch dann am Ende des Konzerts noch in Rossinis Gegenstück zu „La Cenerentola“ ein weiteres Mal nachgeliefert.
Der Hauptakzent galt jedoch dem, was rund um Rossinis Todestag auch geschah: Damals brachte Edvard Grieg sein einziges Klavierkonzert in a-Moll op. 16 zu Papier. An ihm sollte er bis an sein Lebensende feilen. Dieses pianistische Schlachtross wird oftmals vordergründig zum Zurschaustellen virtuosen Könnens genutzt. András Schiff als Solist ging es von Anbeginn an hörbar um einen anderen Ansatzpunkt. Mit gleichwohl stupender Technik stellte er fast schon introvertiert die lyrischen Momente in den Vordergrund. Im besten Einvernehmen mit Barenboim (also tiefem pianistischen Verständnis vom Pult her) ließ Schiff schon im Kopfsatz feinsinnig und zart vornehmlich die gesanglichen Linien erblühen, garniert durch glitzerndes Rankenwerk.
Mit dem sonoren Timbre der Streicher zu Anfang des Adagio korrespondierte Schiff genauso nachdenklich und gefühlvoll. Den widerborstigen Tanzrhythmen im Finale setzte er weitere Glanzlicher auf, ehe er einen Geistes zusammen mit der Staatskapelle bekrönend in den hymnischen Schluss einbog. Der begeisterten Zustimmung dankte András Schiff mit einer selten zu hörenden Preziose, dem h-moll-Capriccio op. 76 Nr. 2 von Johannes Brahms.
Pjotr Iljitsch Tschaikowskys sinfonischer Erstling in g-Moll op. 13, vom Komponisten mit dem Titel „Winterträume“ versehen, zählt in unseren Breitengraden nicht zum ständigen Orchesterrepertoire. Ihre Anfänge liegen auch im Jahr 1860, und von dieser Warte aus war der Schritt vom Norwegen Griegs zu Russland genauso naheliegend. Daniel Barenboim ließ dem jugendlichen Ungestüm im eröffnenden Allegro, dem „Traum einer Winterreise“, freien, gleichwohl gezügelt gesteuerten Lauf. Mit perfekt timbrierten Holzbläsern, aus denen nur mitunter der Solo-Oboist etwas hervorstach. Unter Barenboims beschwörend hingebungsvoller Zeichengebung verlor das anschließende Adagio auch nicht den Nimbus als wie tituliert „Düsteres Land, nebliges Land“. Gefolgt vom quirlig angetriebenen Scherzo und in ein Finale hinein gesteigert, in dem schon der 26jährige Tschaikowsky unüberhörbar seiner Vorliebe für Tonleitern frönte.