asdf
 

Bitte lasst Betulia unbefreit!

Von Heidemarie Klabacher

„Der Gefangene, der aus der Düsternis zum heiteren Tag zurück kehrt, schließt seine Augen vor den Sonnenstrahlen“, heißt es irgendwann einmal im Text von Metastasio. Der hat damit genau die Situation des Konzertbesuchers am Pfingstmontag (24.5.) beschrieben: Nach einem unendlich langen und langweiligen ersten Teil begab man sich - in der Hoffnung, dass noch irgendwas passieren müsste - nach der Pause doch wieder zurück aus der sonnengefluteten Hofstallgasse in die gruftige Felsenreitschule. Dort passierte eine weitere gefühlte Ewigkeit lang gar nichts.

Eine liebliche, aber nichts sagende, redundante Musik. Eine nicht minder liebliche, aber ebenso nichts sagende, redundante Interpretation ohne Spannung, ohne eine Spur von Leben hat Riccardo Muti sein Orchestra Giovanile Luigi Cherubini abliefern lassen! Wozu „Ausgrabungen“, wozu Raritäten aus irgendwelchen Archiven? Wenn man nicht bereit ist, solchen Fundstücken auch ein wenig Leben und Geist einzuhauchen, soll man sie dem (verdienten) Vergessen gleich gar nicht erst entreißen.

Ein Tempo, eine Grundhaltung (gleichwertig betontes Herunterspielen aller Noten und Wiederholungen), eine Lautstärke: Das hat das harmlos frühklassisch daherkommende Oratorium Niccolò Jomellis auf die Schlachtung des Holofernes durch die Witwe Judith gar nicht verdient. Ein Alte-Musik-Experte hätte da und dort schon ein paar Möglichkeiten zu musikantischem Zupacken gefunden.

Wenn in der Felsenreitschule für Augenblicke doch „Musik“ zu hören war, dann war das ausschließlich den hervorragenden Solisten zu verdanken, die trotz der uninspirierten (natürlich sauber gespielten) Begleitung nicht wenig Herzblut zu vergießen suchten. Laura Polverelli gab eine zwar etwas schrille und im Forte stark tremolierende Judith, aber sie brachte ihren Part - die Emotionen, die Hoffnung, den Mut ihrer Figur - glaubhaft über die Rampe.

Die Männer waren in jeder Hinsicht brillant: Countertenor Terry Wey als Ozìa, Fürst von Betulia, überzeugte mit beweglicher, in allen Lagen (die Sprünge sind manchmal enorm) klarer und strahlender Kantilene. Ihm ist das wohl schönste Stück des Oratoriums, ein inniges Gebet im Pianissimo, anvertraut. „Pieta, se irato sei“ - Hab Erbarmen, wenn du erzürnt bist: Jomelli hat schon auch einige Ideen gehabt. Ebenso überzeugend: der Bariton Vito Priante, als Achior, Heerführer der Ammoniter, und der Tenor Dmitry Korchak als Carmi, Anführer des jüdischen Volkes.

Sie alle boten hervorragende, klanglich und stilistisch perfekte sängerische Leistungen, die nur leider im absoluten Nichts der Muti’schen Nicht-Interpretation verpufft sind.

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014