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Geistvoll geklagt mit leichter Hand

PFINGSTFESTSPIELE / LES ARTS FLORISSANTS

24/05/10 „Lamentationen“ passen ja eigentlich nicht zum Pfingstfest. Dennoch waren - fünfzig Tage nach Ostern - ausgerechnet Gesänge zu den Kartagen ein Höhepunkt im Programm der Pfingstfestspiele.

Von Heidemarie Klabacher

Dem „Haus für Mozart“ hat noch nie jemand „Geist“ oder auch nur „Atmosphäre“ nachgesagt. Über die Akustik hat man aber noch selten ernsthaft klagen hören. Am Sonntag (23.5.) brauchte denn auch nur ein einziger Sänger einen Psalmvers anzustimmen - aus dem hintersten Eck des Saales noch dazu - und die Bahnhofshalle wurde zur Kathedrale.

Erst recht, als einige Ensemblemitglieder, ebenfalls von hinten, den ersten mehrstimmigen Vers sangen - und schließlich das Gesamtensemble von der Bühne her antwortete: Ein Raumklang hat sich entwickelt, wie in einem Sakralraum mit Emporen und Balkonen, wie sie für mehrchöriges Musizieren gebaut worden sind.

Mit dem responsorialen Wechselgesang des „Miserere“ von Alessandro Scarlatti aus 1711 und der sich im Kopf aufbauenden „akustischen Scheinarchitektur“ haben „Les Arts Florissants“ die Grundstimmung für dieses Konzert vorgegeben: sakrale Entrückung und gesangstechnische Perfektion.

Italienische Kirchemusik des späten 17. und des frühen 18. Jahrhundert stand auf dem Programm. Klagende Chromatik, lautmalerische Reibungen, hochexpressive Koloraturen, aufgeregte polyphone und hymnisch-triumphierende homophone Elemente: Alle die mitreißenden Zutaten für Musik gewordene Exegese und Leidensbetrachtung wurden konzentriert auf einige exemplarische und exemplarisch gesungene Meisterwerke.

Im Mittelpunkt stand Leonard Leo, etwa mit einem „Introitus“ und einem „Graduale“: Wie ein Mann, mit forderndem Unisono, treten die Israeliten vor ihren Gott und fordern ihr Recht: „Judica me Deus“. Den „Introitus“ gibt es noch in der Messe. Das „Graduale“, das Stufengebet, ist der Liturgiereform zum Opfer gefallen - wovon man damals aber zum Glück noch nichts geahnt hat. Und so komponierte Leo jenes emotional und musikalisch bewegte und doch ganz und gar unhektisch angelegte „Eripe me, Domine“: Die Gewissheit, den Feinden (wer immer sie halt zu welcher Zeit waren) tatsächlich entrissen zu werden, hat er gleich mitkomponiert. Und „Les Arts Florissants“, unter der Leitung von Paul Angew und begleitet von einer virtuos zurückhaltenden Continuo-Gruppe, haben diese Gewissheit in strahlend klaren, quasi unzerreißbaren Linien in den Raum gestellt.

Von welchem Kaliber diese Sängerinnen und Sänger im einzelnen sind, zeigte dann eine Motette auf den Text der „Klagelieder“: Hanna Morrison sang den Solopart in Leonard Leos „Lamentatio Jeremiae Prophetae“ für Sopran und Continuo: große Oper, klagendes Rezitativ, perlende Koloratur -  schlank beweglich gesungen mit strahlendem Klang.

Noch ein Höhepunkt: Das Stabat Mater von Domenico Scarlatti. Die Betrachtung der Leiden Mariens unter dem Kreuz war bewegend in ihrer Verhaltenheit und Verlorenheit (etwa im Vers „Quae morebat“) und mitreißend in ihrer in ihrer Strahlkraft und Dynamik.

Bild: Pfingstfestspiele / Silvia Lelli

 

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