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Fräulein Tod und die dunkle Brille

OSTERFESTSPIELE / KAMMERMUSIKPROJEKT

31/03/15 Schostakowitsch hat einst aus der Erzählung „Die Nase“ von Gogol eine Oper gemacht. Im Kammermusikprojekt, das die Osterfestspiele im republic vorstellen, ist fast alles weg: Übrig ist nur des Komponisten dicke Hornbrille. Das szenische Kammermusikprojekt „Fräulein Tod trifft Herrn Schostakowitsch“.

Von Reinhard Kriechbaum

Sie ist oft da, diese Brille: Aufgesprayt auf Plastikfolien (die bedecken Bühnenboden und Wände), aufgemalt auf weiße Stoff-Fetzchen, die an zwei schwarzen Stoffbahnen in Bühnenmitte herabhängen. Mit diesen Stoffbahnen, auf einem Mini-Podest aus rohen Paletten, gibt sich Isabel Karajan dem exzessiv-bizarren Schauspiel hin. „Fräulein Tod trifft Herrn Schostakowitsch“: Das ist Kammermusik mit dem grandiosen Achten Streichquartett in c-Moll op. 110 im Zentrum – einem jener Werke, die für das bekenntnishafte, quasi sich autobiographisch einbringende Gesicht des Komponisten steht: tieftraurig, rotzfrech, ironisch aufmuckend. Das Dresdner Streichquartett, dies gleich voraus, hat gerade dieses Werk mit wundersamer Homogenität umgesetzt. Vielleicht hätte manche Einzelheit ein wenig aggressiver ausfallen können.

Schostakowitsch‘ Musik dürfte schon ein wenig weh tun auch. So weh wie manche Texte von Schostakowitsch-Zeitgenossen: Dadaisten, Surrealisten, auf unterschiedliche Art Unangepasste, die an der stalinistischen Kunst-Doktrin gelitten haben. Mit den meisten von ihnen hat es ein böses Ende genommen: ermordet, verhungert, Selbstmord… „Wahr ist, tot sind alle Dichter, Musikanten, Sänger, Lieder“, heißt es in einem Gedicht von Alexander Wedenski“, und weiter „Aus das Lied, von Gras bewacht liegen wir in Grabesnacht.“

Das ist eine nicht unwichtige Ergänzung zur Musik, die oft so mutig aufmüpfig, satirisch-heiter klingt. Denn sosehr Schostakowitsch gut sechzig Jahre nach Stalins Tod und ein Vierteljahrhundert nach dem endgültigen Ruin des Sowjetsystems von den mitfühlenden Exegeten bedauert wird: Er hat keineswegs nicht nur gelitten unter dem System (so wie er die hochberühmte „Leningrader Symphonie“ gewiss mit blutender Seele, aber in sicherer Entfernung von der Front geschrieben hat). Mit ein paar Sätzen wird man dem Wesen Schostakowitsch‘ nicht gerecht.

Hört man die Texte, werden einem die Drangsal des Systems, die latente Angst noch gegenwärtiger als aus der Musik. Dramaturgisch ist die szenische Collage „Fräulein Tod trifft Herrn Schostakowitsch“ klug gebaut. Die Polka aus dem Quartett „Das Goldene Zeitalter“ umrahmt die anderthalb Stunden: einmal in der Klavierversion (Jascha Nemtsov), das zweite Mal in der Streichquartettfassung. Das Scherzo aus dem Klavierquintett g-Moll op. 57 ist Musik von dem Zuschnitt, wie Schostakowitsch den Wächtern über das realsozialistisch Wahre, Gute, Schöne gerne Hohn gesprochen hat. Im Bizarren zieht Isabel Karajan alle Register, das Outrieren ist ihr nicht fremd. Je näher aber das Achte Streichquartett kommt, umso ruhiger wird der Ton. Auch zwischen den Quartettsätzen (drei Largo-Teile zeichnen das Stück aus) stehen Texte.

Die Produktion ist im Vorjahr für die Schostakowitsch Tage Gohrisch. An dem Ort in der Sächsischen Schweiz, nahe der Grenze zwischen Sachsen und Tschechien hat, der Komponist Urlaub gemacht und eben das c-Moll-Quartett komponiert. Das war 1960. Einmal greift Isabel Karajan ein Stoff-Fetzchen mit der besagten Brille, und in einer bizarren Puppenspiel-Szene lässt sie den Komponisten einen Text über die segensreichen Auswirkungen des Stalinismus auf Dichter und Komponisten lesen. Der verhaspelt sich andauernd – so unsäglich ist das alles…

„Fräulein Tod trifft Herrn Schostakowitsch“ wird ein weiteres Mal bei den Osterfestspielen gegeben: am Ostersonntag (5.4.) um 11 Uhr im republic – www.osterfestspiele-salzburg.at
Bilder: Osterfestspiele / Matthias Creutziger

 

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