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Kulinarisch alles im Lot

OSTERFESTSPIELE / ORCHESTERKONZERT II

05/04/23 Wenn ein Klangkörper vom musikgeschichtlichen Rang des Gewandhausorchesters ein ganzes Festival bestreitet, dünkt es nur logisch, mit dem Publikum Schlaglichter auf die eigene Geschichte zu werfen. Erinnert wurde an den einstigen Bach-Protagonisten Mendelssohn-Bartholdy,  in Sachen Uraufführungen an Robert Schumann und, ganz aktuell,  an Thierry Escaich.

Von Horst Reischenböck      

Fast sechzig Jahre ist es her, dass das Gewandhausorchester unter seinem damaligen Chefdirigenten Vaclav Neumann erstmals Salzburg einen Besuch abstattete. In unregelmäßigen Abständen folgten Gastspiele unter der Stabführung des – auch politisch verdienstvoll – gewesenen Kurt Masur. Jetzt gibtAndris Nelsons den Takt vor. Er setzte an den Beginn des Orchesterkonzerts am Dienstag (4.4.) den ebenfalls in Leipzig tätig gewesenen Thomas-Kantor Johann Sebastian Bach. Nelsons schlug damit sozusagen gleich drei Fliegen mit einer Klappe, indem er dessen Suite für Orchester Nr. 3 D-Dur BWV 1068 in der Bearbeitung von Felix Mendelssohn Bartholdy spielen ließ – was Nelsons Vorgänger Riccardo Chailly auch getan hat.

Somit erklang im Großen Festspielhaus erstmals jene Instrumentalfassung, in der Felix Mendelssohn-Bartholdy (wie vorher Wolfgang Amadé Mozart bei Georg Friedrich Händel) Trompetenstimmen durch Klarinetten ersetzte. Aber nicht nur das: Der damalige Konzertmeister Ferdinand David versah die Sätze mit detaillierten Spielangaben, forderte beispielsweise absolut unüblich romantische Crescendi, die den Eindruck des vom aktuelln Konzertmeister schon in der Ouvertüre brillant solistisch vorgelegten Nähmaschinen-Barock absolut nicht verbesserten.

Die Wiedergabe war technisch natürlich untadelig, aber eben anachronistisch, abgesehen von der berühmten Air, in der Andris Nelsons die Streicher süffig schwelgen ließ. Zahlreiche Reihen im Großen Festpielhaus waren erschreckend leer. Schon Festspielgründer Herbert von Karajan, der ansonsten in den Sommern durchaus auch Zeitgenössisches dirigierte, wusste, dass er – wollte er auch finanziell erfolgreich sein – seinem Osterfestpiel-Publikum Moderne nicht zumuten konnte. Wobei anno 2023 das angebotene Sandwich-Programm keine Berührungsängste hätte auslösen müssen: Das beim Franzosen Thierry Escaich vom Gewandhausorchester zusammen mit dem Boston Symphony Orchestra bestellte Auftragswerk Les Chants de l’Aube war erst kürzlich in Leipzig vorgestellt worden. Es überzeugte auch bei seiner Österreichischen Erstaufführung und wurde, wie auch der anwesende Komponist, begeistert akklamiert. Der Erfolg verdankt sich nicht zuletzt dem einmal mehr grandiosen Cellisten Gautier Capuçon: Er hatte noch das Notebook zurecht gerückt, um sich danach virtuos den, von ätherisch auf- und absteigenden Skalen begleitet, instrumentalen Gesängen hinzugeben.

Diese nahmen den Cellisten durch die drei mit Kadenzen verbundenen Sätze hindurch nahzu unentwegt in Anspruch, und führten zum Dialog mit dem ersten Solocellisten des Orchesters. Wobei Thierry Escaichs Tonpalette, die brutale Blechakkorde oder mannigfach differenzierte Einsätze des umfangreichen Schlagwerks nicht aussparte, Capuçons edel tönendes Instrument nie in den Hintergrund drückte.     

Nach der Pause dann Robert Schumanns Symphonie Nr. 2 C-Dur op. 61. Auch deren Taufe dürfen sich die Leipziger auf die Fahne heften. Nach etwas blökendem Trompeteneinstieg in den Kopfsatz war dann kulinarisch alles im Lot, detailliert und präzise durch Andris Nelsons geformt. Die Holzbläser verströmten satt warmes Timbre, die zweiten Violinen tupften hingebungsvoll das Fugato im fast schon überirdirsch zelebrierten Adagio an, Schumanns betörendsten Orchestersatz. Und der Paukist setzte auf das befreiend jubelnde Finale noch zusätzliche Akzente. Beglückend! So auch vom Publikum empfunden und bedankt. 

Das Konzert wird bei den Osterfestspielen am Montag (10.4.) wiederholt.  – osterfestspiele.at
Bilder: Osterfestspiele Salzburg / Erika Mayer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

          

 

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