Tröstliche Schönheit
OSTERFESTSPIELE / CHORKONZERT
04/04/23 Maestro Andris Nelsons zelebrierte am Dienstag der Karwoche im Großen Festspielhaus Ein deutsches Requiem von Johannes Brahms. Das Gewandhausorchester Leipzig bewies, geleitet von seinem in geradezu priesterlicher Würde und Ruhe agierenden Chefdirigenten, seine besondere Qualität des sonoren Wohlklangs.
Von Gottfried Franz Kasparek
Schon der erste Teil, in dem die Geigen ruhen, schmeichelte sich in die Ohren. Da in diesem Werk vor allem der satte Gesamtklang eines großen romantischen Orchesters gefragt ist, mit leuchtenden Bläsern, mitunter donnernden Pauken und wahren Engelsharfen, entstand der Eindruck eines pastos ausgemalten, präraffaelitischen Tongemäldes. Der Komponist hätte an einem solch riesigen Ort Chor und Orchester sicher ebenfalls entsprechend groß besetzt.
Andris Nelsons modellierte die Textur zwar mit großer Sorgfalt und ließ die Höhepunkte dieser der Erlösung durch Trost gewidmeten Totenmesse gewaltig anschwellen, aber man hat das singuläre Stück schon zwingender, dynamischer und aufregender erlebt. Trotzdem vergingen die dank oft extrem weihevoller Tempi knapp eineinhalb Stunden in andächtiger Konzentration. Was nicht nur an der von Tradition geprägten Wärme des Orchesterklangs, sondern auch am von Howard Arman mit Perfektion und Liebe einstudierten Chor des Bayerischen Rundfunks lag, der nicht bloß für mächtige Steigerungen, sondern auch für manch klare, lyrische Akzente sorgte und vorbildlich wortdeutlich artikulierte.
Julia Kleiter gestaltete ihre wundersame Sopranarie mit Chor, Ihr habt nun Traurigkeit, mit Inbrunst und strahlender Stimmschönheit. Der große Liedinterpret Christian Gerhaher war in den beiden Bariton-Gesängen in seinem Element und brachte dank seiner sinnfälligen Wortgestaltung und Ausdruckskultur wenigstens zeitweilig etwas Spannung in das allgemeine Leiden, Sterben und Trösten in Schönheit.
Das Publikum lauschte in Ergriffenheit, hustete nur in den Pausen zwischen den Sätzen und spendete nach Minuten vom Dirigenten gehaltener, spiritueller Stille heftigen, aber eher kurzen Applaus. Der Zelebrant am Pult wirkte dabei bescheiden als Primus inter pares. Ausgiebig getröstet schritt man in den späten Winter, der hoffentlich nicht die Blüten erfrieren lässt.