Leidenschaft auf Schweizerisch
HINTERGRUND / OSTERFESTSPIELE / TANZTHEATER
24/03/23 Träume heißt das Stück. Wie das fünfte der fünf Gedichte von Mathilde Wesendonck, die Richard Wagner zu berauschenden Liedern vertonte. Was vom Schönsten der Musikgeschichte überhaupt... Träume, die in jeder Stunde, Jedem Tage schöner blühn, und mit ihrer Himmelskunde selig durchs Gemüte ziehn... Damit es nicht gar zu träumerisch wird, kommt ein wenig Revolution dazu.
Von Heidemarie Klabacher
Noch sind wir tief in der Fastenzeit, aber Ostern wirft Schatten voraus. Eine Uraufführung steht an – erstmals gibt es Tanztheater bei den Osterfestspielen. Die Produktion Träume verknüpft die sinnlich schwärmerischen Gedichte der Schweizer Bankiersgattin Mathilde Wesendonck, vertont von Richard Wagner, mit politischer Prosa aus der Feder des Meisters.
Der französisch-israelische Choreograph Emanuel Gat ließ sich von Richard Wagners Wesendonck-Liedern zu einem Stück mit 14 Tänzerinnen und Tänzern inspirieren. Die fünf berühmten Gedichte kombiniert er mit Ausschnitten aus Wagners Essay Die Kunst und die Revolution. „Träume ist eine choreographische Arbeit, die sich mit den verschiedenen Facetten von Wagners Werk auseinandersetzt.
Auszüge aus seiner Revolutionsschrift werden im ersten Akt den Gedichten von Mathilde Wesendonck gegenübergestellt, um eine Art textliche Dialogpartitur der Geschlechter zu schaffen, gefolgt von einem zweiten Akt, der sich zu den Klängen der fünf Lieder entfaltet“, sagt Emanuel Gat. In der Uraufführung tanzen Mitglieder der Emanuel Gat Dance Company.
„Wagner war ein begeisterter Anhänger der Revolutionen von 1848 und hatte sich aktiv an der Dresdner Revolution von 1849 beteiligt, in deren Folge er viele Jahre im deutschen Exil leben musste“, erinnert Emanuel Gat. „Die Kunst und die Revolution gehört zu einer Gruppe von polemischen Artikeln, die er in seinem Exil veröffentlichte und die dazu beitrugen, Wagner als kompromisslosen und/oder exzentrischen radikalen Idealisten zu charakterisieren.“ In dieser „Zeit des Wandels und der Unruhen“ schrieb Wagner die fünf Wesendonck-Lieder. Wie geht das zusammen?
Eine Liebesgeschichte steckt dahinter. Was sonst? Und Politik natürlich: „Im Mai 1849 beendete der Sturz der provisorischen Regierung, die den Dresdner Aufstand anführte, Wagners revolutionäre Aktivitäten. Er war gezwungen zu fliehen und landete in Zürich, wo er die Unterstützung von Freunden suchte.“ Ein solcher war der Schweizer Bankier Wesendonck, ein Mäzen Richard Wagners.
„Otto Wesendonck erlaubte Wagner und dessen Frau Minna, ein Häuschen auf dem Gelände zu beziehen. Die unmittelbare Nähe zu Mathilde Wesendonck veranlasste Wagner, sich jeden Abend aus ihrem Werk vorzulesen zu lassen“, fasst der Choreograph Emanuel Gat die berühmte Lovestory galant zusammen: „Diese intensive Interaktion mit dem Dichter und Komponisten inspirierte Mathilde dazu, fünf leidenschaftliche Gedichte zu verfassen, die Wagner für Gesang und Klavier vertonte.“ Wagner habe ihren Gedichten, so wie sie fertig wurden, einem nach dem anderen, „höchste Verklärung und Weihe durch seine Musik verliehen“, schreibt Mathilde W. in ihrem Tagebuch.
Poesie ist also die eine Triebkraft hinter dem neuen Tanztheater, Politik die andere. Den Aufsatz Die Kunst und die Revolution schrieb Wagner innerhalb von zwei Wochen im Pariser Exil, die französische politische Zeitschrift National lehnte den Artikel ab, veröffentlicht wurde er 1849 in Leipzig. Schärfer, als mittels der behäbigen Stabreim-Dichtung seiner Libretti, formuliert Wagner in seiner politischen Prosa: „Die modernen Veränderungen in der Gesellschaft haben zu der Katastrophe geführt, dass die Kunst ihre Seele und ihren Körper an eine weit schlimmere Geliebte verkauft hat – den Kommerz ... Es gibt sogar viele unserer populärsten Künstler, die nicht im Geringsten verbergen, dass sie keinen anderen Ehrgeiz haben, als dieses seichte Publikum zu befriedigen. Sie sind weise in ihrer Generation; denn wenn der Fürst ein schweres Abendessen, der Bankier eine ermüdende Finanzoperation, der Arbeiter einen müden Arbeitstag hinter sich haben, gehen sie ins Theater: sie verlangen nach Ruhe, Ablenkung und Vergnügen, und sind nicht in der Stimmung für erneute Anstrengung und neuen Kraftaufwand. Dieses Argument ist so überzeugend, dass wir nur sagen können: Es wäre anständiger, zu diesem Zweck irgendein anderes Ding in der weiten Welt zu verwenden, aber nicht den Körper und die Seele der Kunst.“
Soweit Wagner, mit einer Klage, die unverändert so manchem Künstler/Veranstalter der Gegenwart über die Lippen kommen könnte... „Dieser provokante, etwas extreme und utopische Text könnte einen Einblick in den Geisteszustand des Künstlers zu dieser Zeit geben, kurz bevor er sich an die Schaffung einiger seiner vollendetsten Werke machte“, fasst es der Choreograph Emanuel Gat zusammen. Seine Produktion Träume setze sich mit verschiedenen Facetten von Wagners Werk auseinandersetzt. Auszüge aus seiner Revolutionsschrift werden im ersten Akt den Gedichten von Mathilde Wesendonck gegenübergestellt, „um eine Art textliche Dialogpartitur der Geschlechter zu schaffen“. Der zweite werde sich zu den Klängen der fünf Lieder entfalten. Es ist eine Koproduktion der Osterfestspiele Salzburg und Arsenal – Cité musicale de Metz mit Unterstützung des Théâtre Le Forum Fréjus.
Träume – Uraufführung ist am 6. April um 18 Uhr in der Felsenreitschule, eine zweite Aufführung folgt am Karfreitag 7. April um 18 Uhr – osterfestspiele.at
Bilder: Stills aus dem Probenvideo auf der Website der Osterfestspiele (2); Julia Gat, Sara Gat (3)