Thielemanns Heldenleben
OSTERFESTSPIELE IM HERBST
02/11/21 Irgendwie erinnerte das Abschlusskonzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden in seiner Ökonomie an Karajans Zeiten – kaum siebzig Minuten Spieldauer rund um eine Pausenzäsur herum. Mit dem rein romantisch auf Grieg und Strauss fokussierten Programm war’s aber jeder Moment das Kommen mehr als wert.
Von Horst Reischenböck
Übrigens gibt‘s Gleiche und Gleichere. Oder wie ist es zu erklären, dass für Auftritte wie jüngst von Pop-Künstlern keine Maskenpflicht verordnet wird, bei Klassik jedoch schon? Noch dazu, wo das letzte der vier Osterfestspielkonzerte zu Allerheiligen im Großen Festspielhaus ausreichend leere Plätze zeitigte. Allein neben dem Schreiber dieser Zeilen waren es beidseitig jeweils zwei. In ihrer Bilanz über die vier Konzerte vermelden die Osterfestspiele eine Auslastung von knapp 85 Prozent.
Schade, denn es gab höchste Qualität zu erleben. Das lag einmal an dem 46jährigen russischen Pianisten Denis Matsuev, der sich hingebungsvoll Edvard Griegs Klavierkonzert a-Moll op. 16 aus 1868 widmete: Beeinflusst wurde Grieg durch das „Gegenwerk“ von Robert Schumann. Das lange Zeit einzige „nordische“ wie „norwegisch“ Klavierkonzert ist ja seit seiner Uraufführung ein nach wie vor beliebter Ohrwurm. Ein Schwesterwerk in h-Moll konnte Grieg nicht vollenden, dafür bosselte er bis knapp vor seinem Tod am Orchesterpart, sodass dieser in nicht weniger als sieben Fassungen vorliegt.
Wie nicht anders zu erwarten, erklang die normal gebräuchliche Version ohne Tuba, dafür mit vier statt nur zwei Hörnern. Nach dem immer wieder überrumpelnd zündenden ersten vollmundigen Klavierakkord und der Themenaufstellung durch Christian Thielemann und die Sächsische Staatskapelle Dresden – übrigens Salzburgs Partnerstadt – begeisterte Denis Matsuev nicht nur mit auftrumpfender Virtuosität, sondern auch mit elegant poetischen lyrischen Episoden, in die er sich etwa im Adagio oder mittendrin im tänzerischen Finale subtil versenkte.
Lobeshymnen über die Interpretation der Werke von Richard Strauss durch die Sächsische Staatskapelle Dresden zu verbreiten, ist wie Eulen nach Athen tragen. Haben die Dresdner doch nicht nur Opern von Strauss erfolgreich zur Geltung verholfen, sondern vor allem auch seine Tondichtungen gleichsam mit der Muttermilch aufgesogen und schon früher sämtlich exemplarisch eingespielt.
Auf dem Programm stand Ein Heldenleben op. 40, in dem, nach den literarischen Vorlagen wie Don Quixote, Eulenspiegel oder Zarathustra, die letzte Tondichtung von Richard Strauss. Romain Rolland meinte zwar, dieser Held sei „genau wie die Nation, die er vertrete“: „Es gibt Keime einer Krankheit in Deutschland: ein Delirum der Arroganz, ein Selbstglaube“, doch entstand damit ein immens klanglich opulentes wie dankenswertes Vehikel um nicht zuletzt Orchesterqualitäten in den Fokus zu rücken. Im entsprechenden Abstand zum wilhelminischen Zeitalter, ist das Stück durchaus kulinarisch als absolute Musik genießbar.
Speziell wenn, wie am Montag (1.11.) im Großen Festspielhaus unter Christian Thielemann die Streicher, von Konzertmeister Matthias Wollong solistisch brillant akzentuiert, samtig sinnliches Flair verbreiten. Wenn die Holzbläser frech spöttisch Einwürfe beisteuern und prächtig satt strahlendes Blech mit butterweich intonierendem Hornsolisten fulminant bekrönend die Akustik ausreizen. Als Herzensangelegenheit aller daran Beteiligter ein würdiger Schlusspunkt!
Bilder: OFS / Matthias Creutziger
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