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Winterträume vom Wonnemond und Totengedenken

OSTERFESTSPIELE IM HERBST / WINTERSTÜRME

01/11/21 Passt gut, ein Richard Wagner-Festkonzert unter dem Titel „Winterstürme“ am Vorabend von Allerheiligen. Letztere dräuen ja schon kommende Woche und es wird wieder einmal eine Zeit lang dauern bis zum nächsten Wonnemond. Der Abend im Großen Festspielhaus am 31. Oktober mit der Staatskapelle Dresden unter Christian Thielemann war jedenfalls die reine Wonne.

Von Gottfried Franz Kasparek

Mit Musik von Wagner wird man in Salzburg nicht gerade überschüttet und die Corona-Zeiten sind großen Orchesterbesetzungen auch nicht immer förderlich. Desto schöner war es, in diesem Herbst wieder echtem Klangzauber pur begegnen zu können. Auf dem Podium versammelte sich diesmal die komplett maskenlos spielende Staatskapelle Dresden und bewies ihren einst von Wagner geprägten Ruf als „Wunderharfe“ unter den Orchestern. In der großen deutschen Romantik sind die Dresdner wahrlich Weltklasse. Mit sonorem Streicherklang, warm tönendem Holz, strahlendem und, wenn es darauf ankommt, dämonisch-massivem Blech, donnerndem oder raunendem Schlagzeug und vier „Wunderharfenistinnen“ huldigten die Damen und Herren der Kapelle mit größter Selbstverständlichkeit und spürbarer Liebe ihrem „Hausgott“ Wagner.

Ihr charismatischer Chefdirigent Christian Thielemann gibt nicht nur dem lodernden Feuer dieser Musik dramatische Ausdruckskraft, er arbeitet auch die vielfältigen Konturen liebevoll heraus. In der ersten Hälfte des ersten Aktes der „Walküre“ gibt es ja vom mystischen Beginn an viel „große Kammermusik“ bis hin zum betörenden Cellosolo. Und die sensibel ausgemalte Morgendämmerung der „Götterdämmerung“ nimmt in dieser Lesart eigentlich den Impressionismus vorweg. Es ist auch die besondere Kunst Thielemanns, den Lebens- und Liebesrausch der „Winterstürme“ höchst differenziert zu gestalten, in „Siegfrieds Rheinfahrt“ ein wenig Tanzmusik durchschimmern zu lassen und in den gewaltigen Eruptionen des Götterdämmerung-Finales transparente Klangmischungen zu bewahren. Sein Geheimnis ist, dass bei aller klugen Analyse die sinnliche Energie dieser oft immer noch „modern“ wirkenden Musik bewahrt bleibt und deren Theatralik unwiderstehlich mitreißen kann. Und so passte Siegfrieds Trauermarsch mit seinem aus introvertiertem Grübeln wachsenden, monumentalen Memento mori auch sehr gut zum herbstlichen Totengedenken.

Die Gesangssolisten hatten es nicht leicht, da sie direkt vor dem Dirigenten, gleichsam inmitten des Orchesters, platziert waren. Das Große Festspielhaus hat akustische Tücken, vor allem dann, wenn nicht auf der Bühne über dem Orchestergraben gesungen wird. Von meinem Platz in der vorderen Mitte des 2. Ranges aus drohten mitunter die orchestralen Wogen den Gesang zu verschlingen. Doch sie drohten nur, da Anja Kampe (Sieglinde) und Stephen Gould (Siegmund) wahrlich Wagner-gestählte Singschauspieler und in den besten, reifen Jahren für ihr Fach sind.

Die Sopranistin hat sich mädchenhaftes Leuchten und lyrische Grundlage in der expansiven Stimme bewahrt und lässt sich auch nicht vom Aufbrausen des Orchesters zum Schreien verleiten. Zumal der Dirigent weiß, wie weit er mit der Klangentfaltung gehen kann. Der Tenor begeistert mit seiner Wortdeutlichkeit und mit liedhafter Artikulation – so ist das halt, wenn ein Wagner-Held aus Übersee Deutsch nicht nur singen, sondern auch sehr gut sprechen kann. Goulds goldene Stimme, ebenfalls mit dem vom Komponisten ja explizit gewünschten Belcanto-Fundament versehen, ist jung geblieben. Ohne Kostüm und Maske steht da ein soignierter älterer Herr auf dem Podium und dies vergisst man sehr schnell, so jugendlich singt er. Dazu kam René Pape als nicht wie sonst oft bellender, sondern mit seinem hellen Bass überlegt gestaltender Hunding. Alle drei spielten auch am Konzertpodium ihre Rollen, dezent und glaubwürdig.

Das Finale des Konzert gehörte dem Orchesterzauber und der sich mit diesem gleichsam vermählenden Brünnhilde der Anja Kampe, die über „starke Scheite“ glorios in den Heldinnentod ritt. Anschließend herrschte im fast voll besetzten Haus Minuten lang hustenfreie Stille, bewirkt vom am Pult wie eingefroren stehenden Maestro. Sie entlud sich in wahren Jubelorkanen und endete in stehenden Ovationen.

Bilder: OFS / Matthias Creutziger

 

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