Chillout am Bach-Rand
OSTERFESTSPIELE / KONZERT FÜR SALZBURG
19/04/19 Vielleicht hat eh alles gepasst mit diesem Bach, es war halt nur das Drumherum dafür nicht stimmig: die zweitausend Konzertsaal-Sitze im Großen Festspielhaus. Möglicherweise hätte sich die Sache aus Wohnzimmer- und Fauteuil-Perspektive überzeugender angehört.
Von Reinhard Kriechbaum
Ganz entspannt hätte da ein jeder Hörer für sich sein musikalisches Schatzkästlein aufsperren können. Herausgepurzelt wären die vielen angenehmen – aber eben leider völlig belanglosen Noten, wie man sie am Donnerstag (18.4.) genau sechzig Minuten, vier Violinkonzerte lang zu hören hat bekommen. Chillout am Bach-Rand.
Jedes Jahr kürt die Staatskapelle Dresden einen „Capell-Virtuos“, einen Solisten, mit dem sie in der jeweiligen Saison intensiver zusammenarbeitet. Das ist derzeit der Geiger Frank Peter Zimmermann. Ihm war das Konzert für Salzburg bei den Osterfestspielen anvertraut. Mit einem zwölfköpfigen Grüppchen und seinem Sohn Serge Zimmermann als solistischem Mitstreiter hat er die beiden d-Moll-Doppelkonzerte BWV 1043 und 1060 sowie zwei Solokonzerte (BWV 1055 und 1056) – durchwegs bearbeitungen von Cembalokonzerten – auf kollegialen Einklang getrimmt.
Bach ist viel zu groß fürs Schatzkästchen-Format? Richtig. Aber für die Interpretationsideen Zimmermanns wäre selbst eine winzige Schatulle geräumig genug gewesen. Das klang samt und sonders flusig, war mit so breiten Strichen platt gezeichnet, dass die Soloparts sich kaum abgehoben haben vom Stimmgefüge insgesamt. Da braucht man erst gar nicht reden von der Artikulation oder von der Balance (gegenüber je vier ersten und Zweiten Geigen waren je eine Bratsche, ein Cello und ein Kontrabass zu wenig). Es muss nicht Originalklang sein – aber wenigstens in Rudimenten täte stilistische Informiertheit nicht schaden. Die einzige Möglichkeit in dieser ersten Konzertstunde: sich zurücklehnen und die übersichtlich geordneten Töne vorüberplätschern lassen.
Nach der Pause folgte in dem kopflastigen Programm Mozarts Sinfonia concertante für Violine, Viola und Orchester. Da war das nun eine Spur größer besetzte, wieder im Stehen musizierende Orchester viel eher in seinem Metier. Die kammermusikalische Reaktionsgenauigkeit steht bei der Staatskapelle Dresden sowieso außer Frage, konturenstarke Dialoge waren also gesichert. Als Partner hat sich Frank Peter Zimmermann den Bratschisten Antoine Tamestit ausgesucht. Dieser Ausnahme-Bratschist hat in allen drei Sätzen mit seinem schlanken, akkurat sich durchsetzenden Ton immer wieder Formulierungen der Sologeige selbstbewusst aufgegriffen und stets ein wenig mutiger, akzentuierter ausformuliert. Tamenstit schien in diesem ausgeprägten Teamwork auch derjenige zu sein, der dem Orchester mehr Impulse mitgab als der eigentlich als Leiter ausgewiesene Capell-Virtuos.