Schubert kurzweilig auf Langstrecke
OSTERFESTSPIELE / STAATSKAPELLE / THIELEMANN
16/04/19 Natürlich war das kein politisches Statement pro oder kontra Brexit: Carl Maria von Webers Jubel-Ouvertüre meint mit der finalen Blech-Hymne ja nicht den Text „God save our gracious Queen“, sondern das einst auf dieselbe Melodie gesungene „Gott segne Sachsenland“. Kurfürst Friedrich August von Sachsen war 1818 Adressat der Komposition.
Von Reinhard Kriechbaum
Es war eine gefragte Tonfolge, die am Ende von Webers Komposition zum 50-Jahre-Regierungsjubiläums des damaligen Regenten von Sachsen hinausgeschmettert wird. Sie war (natürlich mit unterschiedlichen Texten) bis weit über den zweiten Weltkrieg hinaus Staats-Kennmelodie für Liechtenstein und die Schweiz. Im 19. Jahrhundert diente sie in Preußen, Hannover und Sachsen als Signet. Und natürlich nicht zu vergessen auf „Heil dir im Siegeskranz“, die deutsche Kaiserhymne von 1871 bis 1918. Weniger bekannt: Auch in Russland war die Hymne gefragt, von 1816 bis 1833, also vom Zarenreich bis in den Bolschwikenstaat hinein. Da kann selbst Haydns „Gott erhalte“ nicht mit...
Mit der Jubel-Ouvertüre eröffnete Christiann Thielemann im zweiten Orchesterkonzert der Osterfestspiele am Montag (15.4.) ein gustiös romantisches Wunschkonzertprogramm: Nachdem er mit der Staatskapelle Dresden deren symphonische Faktur so gar nicht effekthascherisch, sondern eher duftig und vielfarbig herausgestellt hatte, ging es mit Mendelssohn Bartholdys e-Moll-Violinkonzert umso deftiger weiter. Wer war da der Treiber, wer der Getriebene? Frank Peter Zimmermann ließ jedenfalls vom ersten Einstieg keinen Zweifel daran, dass er nicht ein auf angenehmen Orchesterwellen getragener Lyriker, sondern ein lebhafter Agitator sein will.
Thielemann und die Staatskapelle griffen das auf, haben den Solisten dann mehrmals mit sich gerissen. Der geigerische Schmachtfetzen wirkte alsbald kräftig ausgewrungen, und es war eher Geschmackssache, ob man sich davon befremden ließ oder das so recht Fetzige zu goutieren wusste. Übrigens ein Mendelssohn-Sprint, der im Finalsatz auch in mehr als herausforderndem Tempo Pikanterien zuhauf verspritzte.
Thielemann, sein Dresdner Orchester und Schuberts „große“ C-Dur-Symphonie: Das sind schon ganz andere Gefilde als jene der Wiener Philharmoniker. Schon weil die Streicher der Staatskapelle viel weniger auf den (durchaus auch in diesem Orchester sehr individuellen) „Sound“ setzen, sondern mit bewundernswerter Konsequenz Artikulations-Vorgaben einlösen. Wie die Bässe von unten herauf die Motorik beflügeln, wie sich immer wieder aus den Mittelstimmen des Streichercorps zusätzliche Energie herleitet – es war ein durch und durch musikantisch aufgefasster Schubert, mit ruhigen und doch stets Beschwingtheit hervorrufenden Atembögen. Viele außergewöhnliche Rubati sind Christian Thielemann fürs Scherzo eingefallen – ein so eigenwilliger wie überzeugender Zugang. Schubert kurzweilig auf Langstrecke.