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Der Fluch der bösen Tat

OSTERFESTSPIELE / KAMMEROPER / THÉRÈSE

15/04/19 „Thérèse Raquin“, das ist eine jener starken Stories, die eigentlich schon zu Zeiten des Verismo einen Opernkomponisten an die Notenblätter hätte bannen können: Dem 27jährigen Émile Zola hat dieser, sein dritter Roman (1867) in Paris zum literarischen Durchbruch verholfen.

Von Reinhard Kriechbaum

Zola selbst hat in den 1870er Jahren ein Bühnenstück daraus gemacht. Eigentlich erstaunlich, dass sich die Veristen ein solches Opern-Filetstück haben entgehen lassen. Dafür ist die starke Geschichte seit der Stummfilmzeit bis zuletzt 2014 sechs Mal verfilmt worden. Dank der Salzburger Osterfestspiele und der koproduzierenden Staatsoper Hamburg ist nun doch ein Musiktheater daraus geworden. Das Auftragswerk „Thérèse“ von dem 1977 geborenen deutschen Komponisten Philipp Maintz wurde am Sonntag in Salzburg uraufgeführt.

Das Waisenkind Thérèse ist mit ihrem Cousin Camille verehelicht worden. Eine mehr als graue, lieblose Beziehung. Kein Wunder, dass die junge Frau vom leidenschaftlichen Laurent angezogen wird. Das Liebespaar schmiedet den Plan, sich Camilles zu entledigen. Ihm wird bei einer Bootsfahrt auf der Seine der Garaus gemacht. Start in eine glückliche Ehe? Rechnung ohne die Psychologie gemacht. Gewissensbisse, Albträume, gegenseitige Schuldzuweisungen... ein Beziehungs-Thriller erster Güte.

Auf einer schwarzen Bühne, in ausschließlich schwarzen Gewändern (der weiße Hochzeitsschleier wird zerknüllt, bevor er noch recht getragen ist) entwickelt sich das Drama, dessen präzis verknappten Dialoge der Sänger Otto Katzameier verfasst hat. Keine Szene ist viel länger als anderthalb Minuten lang. Wie unter Spot-Beleuchtung erlebt man den sprichwörtlichen Fluch der bösen Tat. Fünf altmodische Kommoden, an der Rückwand Gemälde (sinnigerweise Seestücke) – das ist die karge Ausstattung von M;arie-Thérèse Jossen. Nichts also, was von der Musik, dem Text, dem horrenden Seelen-Ruin ablenken könnte.

Philipp Maintz arbeitet mit Leitmotiven, die streng und empotional kontrolliert eingebunden sind in post-serielle Kompositionstechniken. Dem Kammerorchester geben Flöte, Klarinette, Fagott, Horn und – entscheidend – ein Akkordeon Farbe, die nie grell oder aufdringlich aufflackert. Maintz lässt oft changieren zwischen Singen und Sprechen. Vielleicht wäre Melodram eine gar nicht unpassende Gattumngsbezeichnung für das anderthalbstündige, dichte Werk.

Der fulminant charakterstarke Otto Katzameier ist dieser Laurent, der erst fast nüchtern abwägt, ob er sich überhaupt einlassen soll auf die liebeshungrige Thérèse und darüber sinniert, ob die Situation nicht der Kontrolle entgleiten könnte. Freilich wird dann er der Drängende sein. Marisol Montalvo singt/spricht/spielt die Titelrolle. Nur kurz kommt Licht in Thérèses Schattendasein, in das sie rasch wieder zurück sinkt. Die Rolle des Ehemanns Camille ist einem Countertenor (Tim Severloh) anvertraut – was für ein Abstand zur virilen Ausstrahlung des Nebenbuhlers. Schließlich Renate Behle als Madame Raquin, Thérèses Ziehtante. Sie muss, von Schlaganfällen gezeichnet, mitbekommen, dass sie im Haus jener lebt, die ihren Sohn ermordet haben und nun im Begriff sind, sich selbst zu zerfleischen.

Psychologische Hintergedanken, der G'wissenswurm sozusagen, sind Rufe, Vorwürfe, Andeutungen aus dem Lautsprecher, jene Momente, in denen die Musik sich zu kontrollierter Expressivität aufschwingt. Regisseur Georges Delnon hat die Folge kurzer Szenen zwischen den Blackouts dramaturgisch einprägsam fasst. Es musiziert ein Ensemble der Hamburgischen Staatsoper unter Nicolas André.

„Thérèse“ ist bei den Osterfestspielen am Mittwoch (17.4.) zum zweiten Mal zu sehen (Große Aula der Universität). Premiere in Hamburg ist am 18. Mai in der Elbphilharmonie – www.osterfestspiele-salzburg.at
Bilder: Osterfestspiele Salzburg / Matthias Creutziger

 

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