Der Virtuos bei seiner Capell
OSTERFESTSPIELE / STAATSKAPELLE / THIELEMANN, TRIFONOV
12/04/17 „Der All-inclusive-Pianist“ titelte eine Wiener Zeitung nach einem Konzert von Daniil Trifonov im Vorjahr. Für Salzburg gilt das, zumindest was die Auftritte angeht, auch: Jetzt hat die Staatskapelle Dresden ihren „Capell-Virtuos“ zu den Osterfestspielen mitgebracht. Zu Pfingsten ist er beim Jubiläumskonzert für Anne Sophie Mutter dabei. Und im Sommer ist er hierorts erstmals als Solist mit den Wiener Philharmonikern zugange.
Von Reinhard Kriechbaum
„Capell-Virtuos“, ein schöner Titel. Nicht mehr wert, aber irgendwie besser klingend als „ Künstler des Jahres“, zu dem ihn das Magazin Gramophone den 1991 in Nischno-Nowgorod geborenen pianistischen Senkrechtstarter gekürt hat. Das Virtuose hat er am Dienstag nicht nur in einer delikaten Prokofjew-Zugabe (einer delikaten eigenen Klavierbearbeitung der Gavotte aus "Cinderella") heraushängen lassen. Auch sein Mozart – das Klavierkonzert C-Dur KV 467 – war denkbar alert, wenn sich nach dieser Wiedergabe auch nicht bestimmt sagen lässt, ob und was Daniil Trifonov zur Sache genau zu sagen hat. Jedenfalls weiß er, dass die Ohren gekitzelt sein wollen und man in den Kadenzen schon was riskieren darf. So bricht er den dritten Satz gleich zum Beginn auf und holt aus zu einem harmonisch verzwirbelten (oder verschwurbelten?) Alleingang, der kurz zweifeln lässt, ob sich da bald wieder eine Tonart findet, die zum Orchester passt. Unbegründete Sorge, gleich ist der Virtuos wieder bei seiner Capell...
Christian Thielemann war kein Spaßverderber und hat das Finalrondo äußerst flott dirigiert, dass die Bögen der Geigen die Saiten kaum zu berühren schienen. Dadurch blieb umso mehr Raum für die Holzbläser, die sich wieder mal in bestem Dresdner Canaletto-Vedutenlicht haben einführen dürfen.
Wo Licht ist, ist bekanntlich auch Schatten. Fast verkitscht ließ Thielemann das Thema des langsamen Satzes verströmen, aber irgendwie hat sich dann mit dem Solisten doch kein gemeinsames Ganzes ergeben und das Sfumato, hinter dem sich Abgründe auftun könnten und müssten, blieb doch eher Nebel. Mozart hält das eh locker aus, aber von der nachgestalterischen Weisheit letztem Schluss war das ganz weit weg.
Mozart im Freistil also, und besonders frei in den Kadenzen: Jene im ersten Satz hat Daniil Trifonov nicht nur zu einem Querfeldein-Marsch durch sehr entfernte Tonarten genutzt, sondern auch zu einer originellen eigenen Themendurchführung. Da verdienten sein Erfindungsreichtum, auch das Gefühl für Proportionen Respekt, nicht minder in der (zweiten) Kadenz im Finalsatz.
Danach hatten die Programmgötter Bruckner vorgesehen, die „Romantische“. Da konnte man Thielemann und die Staatskapelle mal im „Normalzustand“ beobachten. Logischerweise kann im Rund-um-die-Uhr-Betrieb der Osterfestspiele (der vierte Abend en suite fürs Orchester und für Thielemann) nicht alles zu einem Festspiel schlechthin werden. Was die Holzbläser-Feinheit anlangt, hätte die Staatskapelle, wenn man sie um drei Uhr morgens weckte und die Musiker am Podium versammelte, immer noch Außerordentliches anzubieten. Aber in Summe war's diesmal doch ein Bruckner-Ballon, aus dem manchmal die Luft zu entweichen schien.