Ich will zornig sein
HINTERGRUND / FRAUENSTIMMEN 2024
05/03/24 „Mit den Frauen hat es die größten Schwierigkeiten auf dem Theater / sie haben nichts begriffen / sie gehen nicht bis zum Äußersten / … / alles ist halbherzig was sie machen...“ So lästert nur einer. Und weil Thomas Bernhard sich selbst und den Rest der Welt auch nicht verschont vor seinen Tiraden, ist ihm auch niemand mehr böse. Was ja auch wieder schad ist. Eigentlich.
Von Heidemarie Klabacher
Die Konzertreihe FRAUENSTIMMEN beginnt jedenfalls heuer am Internationalen Frauentag, dem 8. März, mit Mayako Kubos Komposition Ich will zornig sein – Psalmen für 8 Frauenstimmen, Viola und Orgel auf Texte von Thomas Bernhard. Sein Todestag jährte sich am 12. Februar zum 35. Mal. Die Anna-Maria-Mozart-Gesellschaft bringt damit in der Kollegienkirche die österreichische Erstaufführung des Werks der in Berlin lebenden japanischen Komponistin Mayako Kubo. Diese sei 2018 während ihres Aufenthaltes als Artist in Residence im Thomas-Bernhard-Haus in Ottnang mit der Poesie des Autors in enge Berührung gekommen, berichten die Veranstalterinnen. Bernhards Zorn werde im Stück „in einem explosiven Spannungsverhältnis von Literatur und Musik sakral wie profan zum Ausdruck gebracht“.
Thomas Bernhard kennt und liebt und/oder hasst man für seine Theaterstücke, für seine so erhellenden wie tiefschwarzen Romane. Dass er als Lyriker begonnen hat, muss man sich immer wieder in Erinnerung rufen. „Naturgemäß“ ist die Lyrik des jungen Bernhard nicht so eigenständig, wie nur wenig später, dessen Prosa oder Dramatik. „Es ist der Wein Gottes, der schwarze Wein für mein rotes Hirn, den ich trinken werde in der Nacht, in der Nacht, die meine Füße verbrennt, die mein Land und die Meere verschüttet, die Nacht der Betrogenen, die Nacht der glühenden Apfelbäume, die Nacht der Brunnen, die Nacht der Bänkelsänger, … die Nacht der Gescheiterten, die Nacht der Fische. Ich werde ihn trinken. Ich will ihn zornig trinken. In der Nacht meiner völligen Armut.“ Das schrieb Thomas Bernhard im ersten seiner Neun Psalmen, 1957 erschienen im Band Auf der Erde und in der Hölle im Otto Müller Verlag. Es klingt fremd, auch epigonal. Aber der existentielle Aufschrei ist schon da...
Die 1947 in Japan geborene in Berlin lebende Komponistin Mayako Kubo entwickele ihre Tonsprache „aus dem Spannungsfeld zwischen dem europäischen Erbe und ihren japanischen Wurzeln“. Für Mayako Kubo gebe es keine Grenze zwischen den Kulturen, sie „scheut auch vor Themen nicht zurück, die tabuisiert sind oder gewöhnlich der political correctness unterliegen“, beschreiben die FRAUENSTIMMEN die Komponistin. „Über ihr Klavierspiel lernte sie die europäische Musik schon seit ihrer Kindheit kennen. Die Begegnung mit Karlheinz Stockhausen und Toru Takemitsu 1970 in Osaka brachte sie nach Europa.“ Kubo studierte Kompostion bei Roman Haubenstock-Ramati und Helmut Lachenmann. Sie debütierte mit einem Klavierkonzert 1986 in Donaueschingen. Zehn Jahre später kam ihre Oper Rashomon 1996 als Auftragswerk des Opernhauses Graz und des Steirischen Herbstes zur Uraufführung – ein Höhepunkte ihrer Karriere
Schon einmal war Mayako Kubo ganz nahe: 2014 brachte das Auryn Quartett ein Auftragswerk für die Mondsee Musiktage zur Uraufführung. Auch ein größeres Werk für Frauenstimmen liegt bereits vor: Schnee – von der Unzulänglichkeit des Sterbens wurde 2019 uraufgeführt.
Weitere Termine der 2024: Am 20. April spielt im Kardinal-Schwarzenberg-Saal (dem Stammsaal) das Duo Ovocutters, Sonja Leipold Cembalo und Christoph Hofer Akkordeon, Werke von Katharina Klement (1963 Graz), Sylvie Lacroix (1959 Lyon), Monika Szpyrka (1993 Krakau), Lee Hope (1953 Kanada) und Marianne Martinez (1744–1812 Wien).
Am 20. Mai geben Monika Kammerlander Violine, Leonore von Stauss Hammerklavier und Olga Kous Klavier Musikalische Visitenkarten ab und spielen spielen Werke von Francesca Lebrun (1756–1791), Margarethe Danzi-Marchand (1768−1800), Clara Schumann (1819–1896), Lili Boulanger (1893-1918), Louise Adolpha LeBeau (1850–1927), Dora Pejacevic (1885–1923) und Barbara Heller (1936). Es liest Margarita Ruprecht.
Am 16. Juni folgt das Trio Lentrias mit Klaviertrios von Louise Farrenc (1804–1875), Vally Weigl (1894-1982) und Clara Schumann (1819–1896), am 6. Juli im Atelier Astried Rieder eine Transart-Performance mit der Künstlerin Astrid Rieder und der Flötistin Elisabeth Möst. Weitere Termine gibt es am 14. September und am 19. Oktober. Am 9. November beschließt das Ensemble Reihe Zykan+ die FRAUENSTIMMEN 2024 mit Musik von Elfi Aichinger (1961), Lera Auerbach, (1973), Henriette Bosmans (1895–1952), Fanny Hensel (1805–1847), Felix Mendelssohn-Bartoldy (1809–1847) und Ilse Weber (1903–1947)/ Michael Mautner (1959).
„In der Konzertreihe FRAUENSTIMMEN, deren Fünfzehn-Jahr-Jubiläum wir 2025 feiern werden, führen wir bevorzugt die Werke von Frauen auf“, sagt deren Obfrau und künstlerische Leiterin Eva Neumayr „Wir versuchen, das Verhältnis, das in konventionellen Konzerten vorherrscht – 99 Prozent von Männern, ein Prozent von Frauen komponierte Werke – umzukehren.“ Mindestens 75 Prozent der Musik der einzelnen Konzertprogramme müsse von Frauen stammen. „Weil es so viele großartige Komponistinnen gibt, sind es aber oft auch hundert Prozent“, sagt Eva Neumayr. Seit 2010 wurden in mehr als neuzig Konzerten 550 Werke von 190 verschiedenen Komponistinnen aufgeführt. Die Zukunft liegt den Veranstalterinnen klar vor Augen: „Sollte sich herausstellen, dass es selbstverständlich geworden ist, dass in Konzerten ein Teil der Musik von Frauen stammt, werden wir die FRAUENSTIMMEN beenden. Momentan ist das aber noch nicht so.“
FRAUENSTIMMEN 2024 – Ich will zornig sein am Freitag (8.3.) um 19.30 in Kollegienkirche – alle weiteren Termine unter – www.maria-anna-mozart.at
Bilder: Frauenstimmen / Erik-Jan Ouwerkerk (2); Neumayr; Wolfgang Brunner (1); Eero Spriit; Karin Gruber