Bilbao lässt grüßen
KULTURVEREINIGUNG / BASQUE NATIONAL ORCHESTRA
08/02/24 Drei Abende lang ist das Podium des Großen Festspielhauses fest in Händen von Bilbaos musikalischem Aushängeschild, dem Basque National Orchestra unter seinem mexikanisch/US-amerikanischen Chefdirigenten Robert Treviño. Solist ist Xavier de Maistre (Harfe).
Von Horst Reischenböck
Dort, wo jetzt anstatt in Salzburg ein Guggenheim-Museum steht, wurde vor gut vierzig Jahren das landessprachlich Euskāoliko Orkestra benannte Sinfonieorchester gegründet. Ein junger Klangkörper, zu dessen Feinschliff auch Hans Graf beitrug.
Spanisch Angehauchtes wie George Bizets Carmen-Suite, das Harfenkonzert von dem Argentinier Alberto Ginastera und, zur Krönung, den Bolero von Maurice Ravel sparten sich die Gäste für heute und morgen auf. Am Mittwoch (7.2.) hingegen bewiesen sie ihr Können an zwei russischen Meistern, Glière und Schostakowitsch.
Die beiden waren Zeitgenossen, deren Werdegang unterschiedlicher nicht hätte verlaufen können. Der Ältere, laut Taufregister Reinhold Ernest Glier deutscher Abstammung, noch lange vor der Jahrhundertwende in Kleinrussland, wie die Ukraine damals bezeichnet wurde, zur Welt. Sein Lehrer war dann der Pjotr Iljitsch Tschaikowsky-Schüler Serge Tanejew. Glière, wie er sich schrieb, wurde Direktor des Konservatoriums seiner Vaterstadt Kiew und vertrat als Komponist einen romantisch angehaucht sowjetrussisch-nationalen Stil. Mit dem rannte er natürlich bei Diktator Stalin offene Türen ein.
So auch mit seinem 1938, gerade noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs geschaffenen Konzert Es-Dur op. 74 für Harfe und dem klanglich vielschichtig abwechslungsreich und ergo wirkungsvoll beschäftigten Orchester. Gast-Star de Maistre schwang sich dann mit glitzernden Arpeggios und Glissandi vornehmlich im oberen Bereich virtuos über die tonale Basis seiner Umgebung, wobei er sein Instrument zusätzlich dezent durch Lautsprecher unterstützen ließ. Zeitlich aktuell passend reichte er dann im Alleingang noch Joel van Lerbers Variationen über den Carneval de Venise-Gassenhauer nach.
Im zweiten Teil wandten sich Robert Treviño und das nun groß besetzte Baskische Nationalorchester Dmitri Schostakowitschs Sinfonie Nr. 10 in e-Moll op. 93 zu. Somit bereits zum zweiten Mal in dieser Saison programmiert, allerdings für die anderen Kulturvereinigung-Zyklen. Es ist jenes sowohl beeindruckend wie nach wie vor mitfühlende Hörer auch emotional bedrückende Werk, in dem Schostakowitsch seine von Stalin erlittenen Maßregelungen nach dem Tod des Diktators abrechnete. Erst weitere fünf Jahre später widerfuhr ihm die Genugtuung einer Rehabilitation.
Tief wühlten sich die baskischen Kontrabässe durch den grummelnden Einsteg in das eröffnend tief lotende Moderato, aus dem langsam gesteigert kämpferischer Wille aufloderte. Fulminant driftete das volle Corps dann durch das nachfolgend bestürzende Allegro, von Treviños engagierter Zeichengebung angefacht weit entfernt aller scherzender Gedanken. Nach dem lyrischen Hornsolo im anschließend wiegenden Allegretto verkündete die finale Karikatur eines nur mit Mühen erworbenen Sieges mit den zu Noten umgeformten Initialen des Komponisten lautstark den eigentlich schalen Triumph.
Die Gäste geizten ob der Begeisterungsstürme nicht mit Zugaben: von Johannes Brahms seitens der voluminösen Streicher satt musiziertem Ungarischen Tanz Nr. 1 g-Moll über ihres baskischen Landsmanns Jesus Guridici Bidaolas gefühlvolle Diez Melodias Vascas bis hin zur zündenden Zarzuela-Ouvertüre für La bodo de Luis Alonso von dem Sevillianer Gerónimo Giménez y Bellido. Standing Ovations.