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Das gibt's nur einmal, das kommt nicht wieder

KULTURTAGE / WÜRTH PHILHARMONIKER / VANDELLI

06/10/23 Der Gedanke an den Kahlschlag, den die Nationalsozialisten der Kultur verordneten, bedrückt noch immer. Bücherverbrennungen und entartete Kunst in Literatur und Malerei. Die Durchsetzung auf tönendem Sektor gipfelte 1938 in der Düsseldorfer Ausstellung „Entartete Musik“. Schon zuvor mit Aufführungsverbot belegt, waren viele Komponisten Komponisten, soweit möglich, ins Exil gefüchtet.

Von Horst Reischenböck

Die Würth Philharmoniker spielten am Donnerstag (5.10.) im Großen Saal des Mozarteums unter der Leitung ihres Chefdirigenten Claudio Vandelli im ersten Orchesterkonzert der Kulturtage Werke von Eisler, Heymann, Weinberg, Korngold und Schulhoff. Maximilian Hornung war der Solist im Cellokonzert von von Mieczysław Weinberg

Geflüchtet war etwa der zwar in Leipzig geborene, bis zu seinem Tod jedoch österreichischer Staatsbürger gebliebene Hanns Eisler, nach seiner Rückkehr in die DDR dort dann der Komponist der Staatshymne Auferstanden aus Ruinen. Ihm gelang es, sich mit der kommunistischen Doktrin zu arrangieren, die dort lockerer als in der Sowjetunion gehandhabt wurde. Davon zeugt Eislers aufmüpfige, abwechslungsreich orchestrierte Suite aus der Schauspielmusik zu Der Sturm von Bill-Belozerkowsky, deren Poco larghetto an Samuel Barbers Adagio erinnert. Solch westliche „Dekadenz“ fiel den Machthabern in Ost-Berlin sicher nicht auf!

Nach diesem belebt belebenden Einstieg folgte das gelegentlich an Richard Strauss erinnernde,1915 in Berlin entstandene Frühlings-Notturno op. 4 von Werner Richard Heymann. Zwischen 1930 und 1932 gelangen diesem für das neue Genre „Tonfilm-Operette“ unverwüstliche Ohrwürmer: „Das ist die Liebe der Matrosen“, „Liebling, mein Herz läßt dich grüßen“, „Hoppla, jetzt komm‘ ich“, „Ein Freund, ein guter Freund“, „Das gibt‘s nur einmal“ sangen die berühmten Comedian Harmonists oder Hans Albers. Heymanns Zeit war aber nach 1945 abgelaufen, er verstummte.

Dem Warschauer Mieczysłav Weinberg gelang 1939, anders als dem Rest seiner Familie, gerade noch die Flucht in die UdSSR, wo er Dmitri Schostakowitsch zum Freund und Gönner gewann. Was nicht vor Repressalien schützte: In Stalins Auftrag wurde 1948 sein Schwiegervater in einem fingierten Verkehrsunfall ermordet, der Komponist selber 1953 eingekerkert, weil auch seine Frau Jüdin war. Nur der Tod des Diktators befreite ihn.

Beim Hören von Mieczysłav Weinbergs Konzert für Violoncello und Streichorchester, op. 43, erst vor sechs Jahren erstmals aufgeführt, drängen sich tragische Gedanken förmlich auf. So in dem Klezmer-ähnlich weit gespannten Lamento des eröffnenden Adagio. Das Rondo ist ebenfalls geprägt von Anklängen an jüdische Folklore. Ein dämonisch aufgegipfelt virtuoses d-Moll-Allegro führte in die Kadenz und zur abschließenden Reprise des melancholisch resignativen Anfangsthemas, das in drefachem Pianissimo erstirbt: Star-Cellist Maximilian Hornung widmete sich hingebungsvoll und tonschön mit allen Registern seines Instruments den ihm solistisch gestellten Aufgaben. Für den Beifallsjubel danke er mit Weinbergs Prelude für Cello solo Nr. 21, in dem dieser den Beginn von Schostakowitschs erstem. Cello-Konzert zitiert.

„Verboten schön“ war das Motto des Abends. Diesem entsprachen auch Erich Wolfgang Korngolds sinnliche Märchenbilder op. 3. Sechs Teile seines Klavierzyklus instrumentierte das Wunderkind kurz nach Entstehen. Die Uraufführung der zu plastischen Bildern anregenden Orchesterfassung erfolgte aber erst posthum 87 Jahre später. Ähnlich wie Heymann sollte es Korngold, dem in  Hollywood erfolgreichen Komponisten von Filmmusiken, nach der Rückkehr nicht mehr gelingen, in seiner Heimat Wien Fuß zu fassen.

Der Prager Erwin Schulhoff überlebte das Dritte Reich nicht. Mit seiner brillant durchsichtig instrumentierten Suite für Kammerorchester op. 37 bewiesen die engagiert durch Claudio Vandellis Taktstock angestachelten Würth Philharmoniker zum Schluss erneut ihr Können. Rotzfrech der Ragtime, eine Art Gegenstück zu Weills „Dreigroschenmusik“. Vom Konzertmeister gefühlvoll angestimmt der Tango, pfiffig der kurze Step, in dem die fünf Orchester-Schlagwerker das Solo einzigen Jazz-Drummers zu erledigen hatten. Die Zustimmung war einhellig.

Die Salzburger Kulturtage dauern bis 22. Oktober – www.kulturvereinigung.com
Bilder: SKV / C. Vandelli; Marco Borggreve
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Auf die Pauke mit Halleluja!

 

 

 

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