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Keine Morgenmuffel!

CAMERATA / SAISONAUFTAKT

02/10/23 „Ein Himmel voller Geigen“: Das Motto fürs erste Abonnementkonzert der Camerata Salzburg am Freitag und Sonntag im Großen Saal des Mozarteums hat nicht nur deshalb gegolten, weil die beiden Violinkonzert-Gassenhauser schlechthin mit Alina Ibragimova als Solistin zu hören waren.

Von Reinhard Kriechbaum

Auch der Konzertmeister Gregory Ahss war nicht gerade unterbeschäftigt, denn Le matin und Le midi, zwei Stücke aus dem Zyklus der Tageszeiten-Sinfonien von Joseph Haydn, halten anspruchsvolle Geigensoli bereit. Und nicht nur. 1761 stand Haydn am Beginn seiner Karriere am Esterhazy'schen Hof. Er war mit dem Aufbau der Hofkapelle ebenso beschäftigt wie mit dem eigenen Weiterkommen. Da hat er seinem Fürsten vorgeführt, was für tolle Leute neuerdings in seinem Orchester sitzen und mit welch geistvoller Musik er diese herauszufordern weiß. Der Fürst, selbst ein leidenschaftlicher Baryton-Spieler, hatte gewiss Ohren dafür.

Die Tageszeiten-Sinfonien stehen eigentlich für den Typus „Sinfonia concertante“. Selbst die Bassgeige hat in den Trioteilen der Menuette ziemlich bravouröse Soli. Und beständig scheinen die Stimmführer an den Streicher-und Bläserpulten einander übertreffen zu wollen mit quirligen Beiträgen.

Die Camerata ist bei solchen Werken in ihrem Element, die Musikerinnen und Musiker können ihre individuellen Stärken, ihre dialogischen Fähigkeiten und ihre Ensembledisziplin hervorkehren. Das ist ja vielleicht mit ein Grund, dass diese frühen Sinfonien eher selten gespielt werden: Es braucht dafür eben ein Orchester mit so hoch entwickeltem Ensemblegeist wie die Camerata Salzburg. War also eingangs in Le matin (Der Morgen) die Sonne erst mal aufgegangen – sie kommt rasch, in der langsamen Einleitung zum Eröffnungssatz – stand einem im Wortsinn „aufgeweckten“ Musizieren nichts im Wege. Morgenmuffel sind da wohl keine in der Gruppe.

Ein ganz besonderer Satz ist der langsame Teil von Le midi. Da nimmt die Sologeige die Rolle einer Primadonna (oder eines Primo huomo?) ein, und entwirft eine großformatige Opernszene nach allen Regeln damaliger Ausdruckskunst, die Gefühlsskala hinauf und hinunter. Und dann mengt sich, etwas ruppig und vorlaut zuerst, das Solocello ein, aber die Wegweiser stehen auf Aussöhnung und Harmonie. Ein Gustostück inmitten von Sinfoniesätzen, von denen jeder eine kleine Pretiose an Erfindungsgeist ist.

Für die erkrankte Jeanine Jansen, mit der die Camerata eine enge künstlerische Partnerschaft eingegangen ist, hat Alina Ibragimova Mozarts Violinkonzerte Nr. 3 G-Dur KV 216 und Nr. 5 A-Dur KV 219 übernommen. Ihre italienische Meistergeige ist genau so alt wie diese Werke, sie wurde 1775 gebaut. Alina Ibragimova ist stilistisch vielseitig, in der Alten Musik genau so daheim wie in der Moderne. Sehr „sprechend“ und damit ganz auf einer Augenhöhe mit dem Orchester hat sie die Soloparts angelegt, oft mit überschäumendem Temperament, nicht selten aber auch spontan beruhigend, gleichsam nach innen hörend. Dann lässt sie den süßlichen Geigenton im Wortsinn verduften. Anregend, wenn scheinbar bestvertraute Werke wie neu gelesen werden.

Bild: Camerata Salzburg

 

 

 

 

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