Wenn die Frauen das Sagen haben
DIALOGE / STARKE FRAUEN
03/12/18 Die reiferen Semester könnten sich noch an tatsächlich ernsthaft geführte Diskussionen um die künstlerische Potenz von Frauen erinnern. Wenn das heute auch unglaublich anmutet, ist ein Konzert mit reinem Komponistinnen-Programm immer noch ein probater Griff, um Bewusstsein zu schärfen und alten Reflexballast restlos abzuschütteln.
Von Erhard Petzel
Denn überrepräsentiert sind die Frauen noch immer nicht, auch wenn eine Gubaidulina es zur vielgefeierten Ikone gebracht hat. Bemerkenswert für das Gesicht des Konzerts Starke Frauen am Samstag (1.12.) bei den Dialogen im Großen Saal des Mozarteums, ist eine „vorwissenschaftliche Arbeit“ (wie sie zur Matura gehört), zum Thema Komponistinnen: Diese wurde ausgezeichnet und hatte das Engagement von Schülerinnen und Schülern der 6ten Klassen des Bundes- und Europagymnasium Nonntal zur Folge.
Die jungen Leute moderierten das Konzert mit dem Österreichischen Ensemble für Neue Musik oenm und führten lebendige Interviews mit den beiden anwesenden Komponistinnen. Auf dem Programm, Manuela Kerers Kaput II für Cembalo, Bassblockflöte, Harfe, Querflöte und Tape aus 2017: So wie die Instrumente zunächst in Plastikplanen eingepackt sind, steckten sechs über das Stück und den Müll der Welt räsonierende Damen in Müllsäcken. Recycling im Stück, die aussortierten Töne liefern auf Band die Ouvertüre, bevor die Instrumente in minimalistischen Figuren ineinander rennen und sich zum Schluss hin entblättern. Der volle Klang ist aber teuer erkauft: Müll auf der Bühne!
Marsyas II für Flöte, Viola, Cello und Klavier aus 2005 von Olga Neuwirth beginnt als delikate Klangfarben-Pavane mit Zwischenturbulenzen, steigert sich im Folgesatz in dramatische Kontraste und fiebert perpetuierende Panik, bis im letzten Teil aus den Klangflächen Melodiesegmente steigen und in beklemmenden Trillern farbig ersterben. Gänzlich den leisen Reibeklängen verschiedenster Flageoletts huldigt Clara Ianottas 2011 geschriebenes Stück Limun für Violine, Viola und zwei Umblätterer, die allerdings nicht nur diesen Dienst zu verrichten haben, sondern mittels Mundharmonikas die gleißenden Höhen zusätzlich schärfen.
Den in seiner Klangfarbigkeit sehr intensiven ersten Teil beschließt Polynj für Cello und Klavier von Alexandra Karastoyanova-Hermentin aus 2017. Wenn der Schüler, der mit Musik-Elektronik umgeht, im interessanten Interview anhand der Besetzung bemerkt, dass hier klassische Elemente vorliegen, denkt er sich darunter anderes als die Hörer oder die Komponistin. Aufgesplittert bis in diverse Metaebenen trifft er damit, was Bewusstsein sprachlich zu Musik leisten kann. Tatsächlich können die Elemente dieser Musik, die mit abwärts geführten Leitern beginnt, klassisch verortet werden. Die Elegie, die sich über 3 äußerst differenzierte Sätze spannt, kann jedoch nicht verwortet werden.
Somit hat die Schülerin sicher Recht, die zu Sofia Gubaidulinas Fünf Etüden für Harfe, Kontrabass und Schlagzeug (1965) meint, man solle dazu träumen, die Augen schließen und sich fallen lassen. Im Kontrast dazu steht Elena Mendozas Fremdkörper aus 2015. Diese Variationen für Violoncello, Perkussion, Klavier und Performer arbeiten mit der Mimikry von Klangquelle und Klangerzeugung, verdeutlicht, wenn der Performer am Schluss die Fremdkörper (Weinflasche, Wasserglas, Kamm, Schwamm), mit deren Hilfe musiziert wurde, auf einem Tisch sammelt, wo sie als Pantomimenhintergrund Klangereignisse auf den Instrumenten provozieren.
Ohne komödiantischen Elemente, aber doch mit einem Klangreiz an der Grenze zum Gag liegt Liza Lims Veil für Flöte/Bassflöte, Bassklarinette, Trompete, Perkussion, Klavier, Violine und Cello aus 1999. Im Klavier hat Per Rundberg Schnüre gezogen, um damit Saitengruppen flächig anzufieseln. Und wieder einmal DJ (Dominik Schönauer) und Treffen hernach, Kontaktpflege im Wiener Saal, die diesmal auch den Schülern galt, die ihre Sache bravourös gemeistert und sich tadellos in den Betrieb integriert haben. Die Illumination des Großen Saales mag ebenfalls zur Hebung der Stimmung beitragen, auf dass zaghafte Publikumserweiterung stattfinde. Die Frauen und ihre Musik sind es allemal wert.
Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher