Ein spannender Vergleich über Jahrzehnte
CD-KRITIK / MOZARTEUMORCHESTER / STADTFELD
18/11/15 35 Jahre jung hat Pianist Martin Stadtfeld zu Wolfgang Amadé Mozart gefunden und sich im Februar dieses Jahres für die Aufnahme zweier „Salzburger Konzerte“ der Assistenz von Mozarteumorchester und Ivor Bolton versichert.
Von Horst Reischenböck
Sein neues Album widmet Martin Stadtfeld ganz dem jungen Wolfgang Amadeus Mozart. Zwei Salzburger Klavierkonzerte hat er mit dem Mozarteum Orchester Salzburg unter Mozart-Spezialist Ivor Bolton eingespielt: das erste Klavierkonzert des zehnjährigen Mozart und das zehn Jahre später entstandene Klavierkonzert Nr. 9, das erste „Meister-Konzert“. Für beide Konzerte schrieb Stadtfeld eigene Kadenzen. Entdeckens- und hörenswert sind auch die Stücke aus dem Londoner Skizzenbuch, das der neunjährige Mozart gegen Ende der großen Europareise von 1763 bis Ende 1766 geschrieben hat.
Martin Stadtfeld profilierte sich bislang, etwa auch bei den Salzburger Festspielen, vornehmlich als Interpret von Johann Sebastian Bachs „Wohltemperiertem Klavier“. Aber er hat ein Feeling für Mozart. Es berühre ihn immer wieder, so der Pianist, wenn er sich Mozarts erstem - in Salzburg entstandenen - Versuch eines Klavierkonzerts zuwende.
Das Klavierkonzert Nr. 1 F-Dur KV 37 hat Mozart als „Capriccio“ aus Werken anderer Komponisten zusammengestellt. Natürlich - vom Anspruch her noch nicht das A und O für einen Pianisten, um sein Können ins Rampenlicht zu stellen. Martin Stadtfeld freilich zog vom Anfangsmotiv des drittens Satzes eine Verbindungslinie zum Beginn des Klavierkonzerts Nr. 9 Es-Dur KV 271 „Jenamy“ mit dem berühmt spontanen Einstieg des Solisten. Ein genialer Wurf, dem erst Ludwig van Beethoven wieder folgen sollte.
Damit stellt sich Stadtfeld nun also seinen „Mitbewerbern“. Im konkreten Fall sind sogar drei Aufnahmen mit dem Mozarteumorchester entstanden. Von der Chronologie her als erster widmete sich ihm in den 70er-Jahren der 2006 gestorbene Schweizer Karl Engel am Bösendorfer innerhalb einer Gesamtaufnahme im Großen Saal des Mozarteums unter der Leitung von Leopold Hager. Auch hier: jugendlich spritziger Einstieg; spielfreudige ausgedehnte eigene Kadenz als Überleitung zum Rondo.
Die beiden weiteren Einspielungen entstanden in etwa zeitgleich. Einmal mit dem, bei Hans Leygraf am Mozarteum ausgebildeten, Italiener Nicola Frisardi unter Gerard Korsten: von der Tontechnik her transparenter und zugleich wärmer im Gesamtklangbild; besonders nachdenklich in der Nachzeichnung von Mozarts erstem Moll-Andante inmitten.
Der dritte Pianist, der bei uns so gut wie unbekannt gebliebene 1936 geborene Franzosen Èric Heidsieck, wurde von Hans Graf unterstützt. Dem Schüler von Alfred Cortot und Wilhelm Kempff, der alle Sonaten Mozarts und Beethovens aufgenommen hat, eignet eine mehr romantisierende Sicht auf Mozart. Das belegt beispielsweise die gedankliche Intensität, mit der sich Heidsick in den Binnensatz vertiefte. Er brauchte auch ganze zwei Minuten länger als nun der Deutsche Martin Stadtfeld.
Wobei die Spieldauer Dauer allein natürlich nichts über die Qualität der Interpretation aussagt. Was das Glücks-Kleeblatt indes so vollkommen macht, ist Stadtfelds vollkommen unaufdringlich wirkender Zugang - trotz des großen Bösendorfer 290 Imperial unter seinen Händen. Wie wirkt KV 37 auf diesem mächtigen Instrument: erstaunlicherweise eher verhalten, nicht virtuos auftrumpfend im Kopfsatz; bestürzend dramatisch und basslastig, mit einem extrem klagenden Gesang der Oboe… Beeindruckend Ivor Boltons fein differenziert ausformulierte düster wirkende Orchesterbegleitung. Stadtfelds eigene Kadenzen, auch im langsamen Satz, lassen den Hörer ausgedehnt in Abgründe hinabtauchen, bevor forsche Tutti-Schläge dem ein Ende setzen.
Mehr als einen bloßen Appendix liefert eine zweite CD, auf der sich Stadtfeld dem genialen „Londoner Skizzenbuch“ KV 15 widmet, in dem Wolfgang 14 Tage ohne Oberaufsicht durchden erkrankten Vaters in Chelsea eigene Ideen notierte. Erstaunliche Miniaturen, in die auch orchestrale Vorstellungen einflossen, adäquat umgesetzt und sinnvoll zu Sonaten gruppiert von Martin Stadtfeld. Hörenswert!