Musik in der Kaiser Ohren
CD-KRITIK / JOHANN JOSEPH FUX
18/11/21 Die Begleitung zur Arie Vedi, che il Redentor taugte als Hör-Rätsel sogar für Leute, die sich im Instrumentarium der Alten Musik und den einschlägigen Klangfarben für einigermaßen sattelfest halten. Was für ein Blasinstrument dialogisiert da mit der exponierten Posaune?
Von Reinhard Kriechbaum
Entfernt klingt es nach Klarinette, aber es ist ein viel feinerer, ganz unaufdringlich näselnder Ton. An ein ganz fein intoniertes Regal könnte man sogar denken. Tatsächlich Zunge, aber aufschlagend. Es ist ein Chalumeau, jene Klarinetten-Frühform, der man am Wiener Kaiserhof mit besonderer Vorliebe die erlauchten Ohren lieh. Johann Joseph Fux hat dieses Kurzzeit-Modeinstrument seiner Ära immer wieder gerne und effizient eingesetzt. In dieser Arie aus einem Oratorium eben im Dialog mit der Posaune. Ernst Schlader, der Chalumeau-Spezialist unserer Tage, mit Norbert Salvenmoser (Posaune) und dazu die Sopranistin Maria Ladurner, die hier alle lyrischen Qualitäten ins Treffen führen kann: Das sind wirklich gute Anwälte für den Fux'schen Arienstil in Oper und Oratorium.
Gerade an die Oper wurden damals in Wien ganz andere Maßstäbe gelegt als beispielsweise in Neapel oder Venedig, wo Oper ein eher demokratisches Ereignis war, wo es also darum ging, ein zahlenmäßig großes Publikum zu überzeugen. Johann Joseph Fux hingegen war in Wien nicht auf Publikums-Fang angewiesen. Seine Auftraggeber waren Herrscher mit Sachverstand: Leopold I. (1658-1705), Joseph I (1705-1711) und Karl VI. (1711-1740).
Alle drei Habsburger komponierten selbst, und das war natürlich die denkbar größte Herausforderung für Fux, als er 1698 als Hofkomponist angestellt wurde und es 1712 zum Vizekapellmeister, 1715 schließlich zum Hofkapellmeister brachte. Er diente also nacheinander drei musik-enthusiasmierten Regenten, die in der Sache gut mitreden konnten. Ums Musikverständnis des höfischen Umfelds stand es nicht schlechter. Sprich: Da schrieben Fachleute – in der Ära Fux auch Bononcini, Ariosti, Caldara – für ihresgleichen. Es findet sich in deren Musik manch „Kompositions-Wissenschaft“, die beispielsweise auf einer venezianischen oder neapolitanischen Opernbühne an den Ohren des Publikums glatt vorbeigezogen wäre.
Bis heute ist diese „Wissenschaft“ der Verbreitung eher hinderlich. Neunzehn Opern und zwölf Oratorien gäb's von Fux. Wäre da nicht seit vier Jahren das verdientsreiche Aufführungs-Projekt bei der Styriarte in Graz, würde man kaum einem dieser Werke je auf der Bühne begegnen. Vielleicht bringt ja die vorliegende CD – immerhin mit sieben Ersteinspielungen und Stücken aus zwei bisher uneditierten Werken – den einen oder anderen Impresario auf die Fux-Fährte. Zu wünschen wäre es.
Einer, der sich für dieses spezielle Repertoire-Segment einsetzt, ist der Leiter des Biber-Wettbewerbs im österreichischen Stift St. Florian, Gunar Letzbor. Für ein Konzert dort, im Sommer-Refektorium, haben Maria Ladurner und der Biber-Consort auch diese weltliche und geistliche Arien-Blütenlese zusammengestellt. Da findet sich etwa die lyrische, mit sanften Koloraturen der Singstimme betörende Arie „Qual' il sol in prato“. Dazu Theorbe und Chalumeau – auch das wohl singulär in der Musikgeschichte. Von Temperament geradezu berstend die Arie „Si, vendetta io voglio far“ aus Julo Ascanio. Da haben die Streicher viel zum Affekt beizutragen. Eine ganz andere Gefühlswelt: Maria Maddalena unter dem Kreuz Jesu („Caro mio Dio“), mit Erbarmen heischend seufzender Solovioline. Auch von Fux gibt es eine Oper Orfeo ed Euridice, und eine pastorale Arie der Euridice daraus verblüfft mit einer ungemein virtuosen Cellostimme. Habsburger-Kaiser haben ihren Musikern und Komponisten nichts geschenkt.
Johann Joseph Fux: Arias for the Emperor. Operas & Oratorios für the Viennese Court. Maria Ladurner (Sopran), Biber Consort. Pan Classics PC 10425 – www.jpc.de
Maria Ladurner singt – so's denn noch stattfinden kann – am kommenden Sonntag (21.11.) um 11 Uhr im Kuenburgsaal des Salzburg-Museum im ersten Konzert des neuen Zyklus der Ars Antiqua Austria – www.ars-antiqua-austria.com